Überhaupt die Vögel! Es gibt Töpfer unter ihnen, die meisterhaft mit Lehm umgehen und Weber, die mit den Füßen und vor allem mit dem Schnabel Gras flechten, schlingen, weben und knoten, als hätten sie, wie Jürgen Tautz im Begleittext schreibt, einen entsprechenden Volkshochschulkurs besucht.
Wände aus Span und Speichel
Auch andere Fertigkeiten hat keineswegs erst der Mensch erfinden müssen. Beispielsweise das Papiermachen, Wespen können das schon lange. Sie kauen Holz und mischen es mit Sekreten, bis beste Papierqualität entsteht, aus dem sie ihre hübschen Nester gestalten.
Die Vielfalt der Tierwohnungen ist enorm und die Kunstfertigkeit ihrer Baumeister verblüffend. Und auch das ist an dieser Stelle durchaus eine Anmerkung wert: Baustoffe, Kleber, Wandfarben, alles ist umweltverträglich und biologisch abbaubar.
Der Bildband „Architektier“ mit kundigen Texten des Bienenforschers und Verhaltensbiologen Jürgen Tautz ist großartig, weil es gelingt, Wissen, Staunen und Berührendes zusammenzuführen. Tautz bereichert den Bildband, indem er nicht nur das begreiflich macht, was auf den Bildern zu sehen ist. Er stellt auch hintergründige Fragen. Zum Beispiel: Wo ist ein Tier zu Ende? Eine Frage, über die man zunächst stolpert, und dann seinen Gedanken gerne folgt.
Denn vordergründig scheint die Antwort klar: Das Tier endet an der Grenze zur Außenwelt, also an der Haut, am Fell, am Federkleid, da eben, wo die Umwelt beginnt. Aber stimmt das? Tautz zitiert den Evolutionsbiologen Richard Dawkins, der vom „erweiterten Phänotyp“ spricht. Und schon weitet sich der Blick von Größe und Fellfarbe eines Tieres zu all den Verhaltensweisen, die untrennbar mit ihm verbunden sind – wozu dann auch ihre Bauten gehören. Eine wunderbare Sicht in die mannigfaltige Welt der Tiere!
Ilona Jerger
Ingo Arndt, Jürgen Tautz: Architektier. 160 Seiten, Knesebeck 2013, 49,95 Euro
Fotos: PR Knesebeck