Jedes Jahr ziehen im Frühling und Herbst Millionen von Fledermäusen zwischen ihren Fortpflanzungsstätten in Nordosteuropa und den Überwinterungsgebieten im Süden und Westen Europas. „Diese jährlichen Wanderbewegungen bergen zahlreiche Superlative – auch wenn dies bisher der Öffentlichkeit kaum bekannt ist“, erklärt Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin.
Die nur sieben Gramm schwere Rauhautfledermaus beispielsweise kann jedes Jahr mehr als 4.000 Kilometer zurücklegen. Diese Wanderungen übertreffen bezüglich Kopfzahl und zurückgelegter Distanz alles, was für Säugetiere bekannt ist. „Selbst die wandernden Herden der Gnus in der Serengeti und die sie verfolgenden Tüpfelhyänen legen keine größeren Distanzen zurück“, betont Voigt. Wie Fledermäuse es jedoch schaffen, solch weite Distanzen zurückzulegen, ist bisher völlig unklar.
Rätselhafte Langstreckenflieger
„Wir tappen bezüglich der Fledermausmigration großteils wortwörtlich im Dunkeln“, erklärt Voigt. Aufgrund ihrer nächtlichen Lebensweise und fast lautlosen Fortbewegung ist die Beobachtung von Fledermäusen eine echte Herausforderung. Nur die Aufzeichnung ihrer Echoortungsrufe und das Wiederfinden einiger beringter Tiere lässt das Ausmaß der jährlichen Wanderbewegungen erahnen. Für einen effizienten Schutz der Tiere wäre es jedoch sehr wichtig, ihre Rastgebiete und Zugkorridore zu kennen.
Unter anderem deshalb standen Fledermausforscher am letzten Wochenende nahe der lettischen Ortschaft Pape parat – und wurden Zeugen eines atemberaubenden Schauspiels: Über den Köpfen der Forscher huschten im Sekundentakt nächtliche Schatten vorbei. Einen kleinen Teil der Tiere fingen sie in Trichterfallen, um die Fledermäuse zu beringen. Sie sollen helfen, das Mysterium Fledermauszug aufzuklären.
Todesfalle Windpark
Den wandernden Fledermäusen drohen vielerlei Gefahren auf ihrem Weg. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft und Pestizide finden sie oft nur noch wenig Insekten, die sie als Wegzehrung benötigen. Zur tödlichen Falle werden zudem für viele Fledermäuse die Windkraftanlagen. Wissenschaftler schätzen, dass jedes Jahr mehrere Hunderttausend Fledermäuse allein in Deutschland an Windkraftanlagen sterben, wenn diese während der Zugzeit in der Nacht nicht abgeschaltet werden.
„Gerade ziehende Fledermäuse kommen in die Nähe von Windkraftanlagen, da sie während der Migration vermutlich in der Höhe fliegen, in der sich die Rotorblätter von Windkraftanlagen drehen“, erklärt Voigt. „Die Fledermäuse sterben dann entweder durch die enormen Druckschwankungen, die die drehenden Rotorblätter bewirken, oder kollidieren direkt mit den Rotorblättern.“
Bei wenig Wind abstellen würde helfen
Würde man die Windkraftanlagen jedoch zur kritischen Zeit abstellen, wäre der wirtschaftliche Verlust für die Windkraftbetreiber sehr gering, der Nutzen für den Artenschutz jedoch enorm. Nötig wäre es dafür nur, die Anlagen während der Nacht und bei niedrigen Windgeschwindigkeiten abzustellen – also dann, wenn die Stromausbeute ohnehin gering wäre. Denn sie produzieren erst ab drei bis fünf Metern pro Sekunde Windgeschwindigkeit nennenswert Energie.
In Nordamerika haben sich die Windkraftbetreiber mit Naturschützern bereits darauf geeinigt, die Rotorblätter erst dann drehen zu lassen, wenn die Windgeschwindigkeit hoch genug ist, um Energie effizient zu produzieren. Ein Vorbild, welchem man in Europa leider noch nicht nachkommt – obwohl Fledermäuse stehen in Deutschland sowie der gesamten EU unter strengem Naturschutz stehen.
Quelle: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.