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In Polen zählt Kohle

Klimaverhandlungen in Warschau

In Polen zählt Kohle
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Warschau
Vom 11. bis 22. November ist es wieder soweit: Die Rettung des Weltklimas wird verhandelt. Diesmal in Warschau. Die polnische Regierung lässt sich den Gipfel von der Industrie finanzieren und lädt die Kohlekonzerne zum Branchentreff. Umweltschützer sind da weniger willkommen. Belastbare Ergebnisse für den Klimaschutz sind nur wenige zu erwarten. Von Sylvia Ratzlaff vom WWF

Der Grund für den Kohlerückhalt: Das Land, dessen Wirtschaft sich seit Jahren in einer rasanten Aufholjagd befindet, braucht viel Energie. Kohle kann es im eigenen Land in großem Stil fördern. Fatal allerdings ist, dass die meisten polnischen Kohlekraftwerke nicht auf dem neuesten technischen Stand sind und entsprechend viel Kohlendioxid ausstoßen. In Bełchatów südlich von Łódź steht das weltgrößte Braunkohlekraftwerk, das zugleich größter CO2-Emittent Europas ist.

Kohlendioxidschwere Sponsoren

Der Gastgeber der Klimakonferenz, Polens Umweltminister Marcin Korolec, war früher Unterstaatssekretär für Handel im Wirtschaftsministerium. Vor einem Monat präsentierte er zwölf Unternehmenssponsoren für die Klimakonferenz, die die Verhandlungen durch „grüne Produkte und Services“ unterstützen. Einer davon ist der französische Energiekonzern Alstom Power, der gerade den Zuschlag zur Erweiterung des Opole Kohlekraftwerke um zwei 900 MW Anlagen in Polen gewonnen hat. Einem Projekt von dem die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard sagt, dass es nach derzeitiger Planung gegen EU-Gesetzgebung verstoßen würde. Auf seinen Webseiten führt Alstom auch Bełchatów als Referenz auf, das von ihnen erbaut worden sei.

Weitere Sponsoren sind ArcelorMittal, weltgrößter Stahlkonzern und Bergbauunternehmen, dessen jährliche CO2-Emissionen ungefähr mit denen Tschechiens vergleichbar sind, sowie PGE, Polish Energy Group, ein Staatsunternehmen, größter Stromerzeuger des Landes und beispielsweise Eigentümer von Bełchatów. Die Reihe der Sponsoren setzt sich fort mit einer Fluggesellschaft und Autoherstellern, deren Interessen dem Klimaschutz nicht unbedingt nahe stehen: Emirates, BMW und General Motors. Die beiden Letzten bieten einen Fahrservice auf der Konferenz an.

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Doch damit nicht genug: Während des Klimagipfels wird sich zugleich auch die Welt Kohle Vereinigung zu einem International Coal & Climate Summit treffen und zwar im polnischen Wirtschaftsministerium. Eröffnet wird die Konferenz vom polnischen Wirtschaftsminister Janusz Piechociński. Dabei hat Polen auch dafür gesorgt, dass zivilgesellschaftlicher Protest, wenn überhaupt, in kleinem Rahmen stattfinden wird – die Teilnehmerkontingente der Weltklimakonferenz für die Umwelt- und Naturschutzverbände wurden im Vorfeld deutlich gekürzt, beim WWF zum Beispiel auf die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr.

Langgehegte Ziele in Gefahr

Nicht nur vor diesem Hintergrund sind die Erwartungen an den Erfolg der Konferenz gering. Inhaltlich geht es vor allem um zwei Ziele: die Vorbereitungen zu einem Weltklimaabkommen vorantreiben, dass in zwei Jahren unterschriftsreif sein und ab 2020 gelten soll, sowie den nahezu 200 Teilnehmerstaaten weitere Emissionsminderungsverpflichtungen abzuringen, die bereits vor 2020 greifen.

Spätestens mit dem im September vorgestellten fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) wurde noch einmal deutlich, wie dringend notwendig ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen sind. Klar ist, die Erderwärmung muss unbedingt auf unter zwei Grad, besser noch 1,5 Grad, begrenzt werden, um katastrophale Folgeschäden für die Lebensräume von Mensch und Tier zu vermeiden – und um die Welt, wie wir sie kennen, zu erhalten.

Dazu müssen die weltweiten CO2-Emissionen jedoch bis 2015 ihren Höchststand erreichen und ab dann kontinuierlich sinken. Wie schwierig das ist, zeigt das Beispiel Deutschlands: So sind die Kohlenstoff-Emissionen der Bundesrepublik im vergangenen Jahr leicht gestiegen. Immerhin: Das Tempo des Anstiegs der globalen Emissionen hat sich im letzten Jahr verringert – sie stiegen 2012 noch um 1,1 Prozent. Im vergangenen Jahrzehnt war der Ausstoß im Durchschnitt um 2,9 Prozent pro Jahr gestiegen. Sollte jedoch der wirtschaftliche Abschwung in einigen Staaten Europas sein Ende finden, könnte der Konsum von Benzin, Öl und Gas dort erneut nach oben schnellen. Europa steht nach China und den USA auf Platz drei der weltweit größten CO2-Verschmutzer.

Damit die finalen Verhandlungen in zwei Jahren in Paris nicht zu einem ähnlichen Fehlschlag wie die von 2009 in Kopenhagen werden, wo bereits ein Konzept für ein ambitioniertes, gerechtes und bindendes Klimaschutzabkommen verhandelt werden sollte, muss jetzt ein genauer Zeitplan mit klaren Zwischenzielen und peniblen Aufgabenlisten erstellt werden. Ziel ist es, von allen Staaten in den kommenden Monaten verbindliche Minderungsziele zu erhalten. Diese müssen addiert und abgeglichen werden. Reichen die Angebote nicht aus, muss bis Paris weiter verhandelt werden.

Feste Zusagen sind nötig

Aus Sicht des WWF gilt es zudem, Subventionen für fossile Energien weltweit abzuschaffen und endlich auch den internationalen Flug- und Schiffsverkehr zu Emissionsminderungszielen zu verpflichten. Ebenso müssen Zusagen für die Klimafinanzierung ausgehandelt werden. Bis 2020 sollen international 100 Milliarden US-Dollar zusammenkommen – und zwar ab sofort in steigenden Etappen.

Ohne Minderungs- und Finanzierungszusagen der Industriestaaten, die sich besser vor den Schäden des Klimawandels schützen können, werden Entwicklungsländer, wenig Bereitschaft zeigen, sich zu Emissionsminderungen zu verpflichten. Nicht zuletzt, weil viele von ihnen die Folgen der Erderwärmung bereits heute vermehrt spüren, brauchen sie Unterstützung, um ihre Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Dazu ist auch ein Wissensaustausch und Technologietransfer nötig.

Gastgeberland Polen hat bescheidene Ziele für den Erfolg des Klimagipfels vorgegeben. Die Schere zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischer Handlungsfähigkeit darf in Warschau nicht noch weiter auseinander gehen.

 

Sylvia_Ratzlaff_250.jpgSylvia Ratzlaff arbeitet für den WWF Deutschland.

Fotos: Fotolia/udra11; Sylvia Ratzlaff

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