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Kinder haften für ihre Eltern

Umweltkonvent in Freiburg - Interview

Kinder haften für ihre Eltern
Heinz Rotter und Horst Hamm
Heinz Rotter und Horst Hamm
Die Kinderhilfsorganisation terre des hommes setzt sich für „ökologische Kinderrechte“ ein. natur sprach mit Präsidiumsmitglied Heinz Rotter, was Pestizideinsatz und Klimawandel für die kommende Generation bedeuten und warum die USA die Kinderrechtskonvention nicht ratifizieren.

Heinz Rotter: Man weiß heute, dass Kinder besonders verletzlich sind, ihr Immunsystem kann leichter geschädigt werden, zum Beispiel wenn sie mit Pestiziden in Kontakt kommen, Umweltgifte wie Blei können viel stärkere Schäden hervorrufen. Deshalb sind Kinder gleich zweimal geschädigt. Einmal direkt durch ihren empfindlicheren Körper und dann indirekt, weil sie ihre Zukunftspläne nicht mehr so verwirklichen können wie in einer intakten Umwelt.

Wie kam es überhaupt dazu, dass terre des hommes die Rechte von Kindern gewahrt wissen will?

Terre des hommes ist eine Kinderrechts- und Kinderhilfsorganisation, die zunächst in der Schweiz gegründet wurde, weil Reporter der Öffentlichkeit gezeigt haben, dass im Algerienkrieg Kinder ganz besonders zu den Opfern gehören. terre des hommes Deutschland wurde 1967, ein paar Jahre später, in Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg gegründet. Der Krieg war stark in den Medien. Reporter waren noch nicht wie heute abgeschirmt, sondern konnten berichten, wie sie wollten. Und das hat den Menschen seinerzeit gezeigt, wie verletzlich gerade Kinder sind. Wir haben daraufhin viele Kinder nach Deutschland gebracht, um ihnen ein besseres Leben zu bieten, aber bald gemerkt, dass es besser ist, sie im Land zu lassen und dort zu unterstützen.

1989 wurde schließlich die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet…

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Richtig. Mit dieser Kinderrechtskonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten den Kindern auf der ganzen Welt ihrer Verantwortlichkeit für die Entwicklung von Kindern gerecht zu werden. Das reicht vom Recht auf eine gewaltlose Erziehung über das Recht auf Spiel und Freizeit bis hin zum Recht, durch geeignete Maßnahmen, Krankheiten oder Fehl- und Unterernährung vorzubeugen. Deutschland hat die Kinderrechtskonvention sehr bald ratifiziert.

Wer hat die Kinderrechtskonvention sonst noch ratifiziert?

Alle Staaten der Welt außer den USA. Keine andere Konvention hat so viel Zustimmung erhalten.

Und warum sind ausgerechnet die USA nicht dabei?

Ich kann das nur vermuten: Die USA behalten sich vermutlich das Recht vor, auch Kinder ins Gefängnis zu stecken oder Minderjährige zu rekrutieren. Beides widerspricht der Kinderrechtskonvention. Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig. Und Kinder unter 15 Jahren dürfen nach der Kinderrechtskonvention an keinen Kampfhandlungen teilnehmen. In einem Zusatzprotokoll, das es inzwischen dazu gibt, ist diese Altersgrenze auf 18 Jahre angehoben worden.

Inzwischen tritt terre des hommes auch für ökologische Kinderrechte ein. Wie kam es zu dieser Erweiterung?

Der Zusammenhang wurde schon im Vietnamkrieg sichtbar: Damals haben die Amerikaner mit Agent Orange die Wälder entlaubt, das hat durch die enthaltenen Dioxine bis heute dramatische Auswirkungen. Ich war bereits 1983 in Vietnam und habe die Schäden mit eigenen Augen gesehen. Aber das ist ja nur ein Beispiel unter vielen: Wir haben Fischsterben im Titicacasee, Öl im Golf von Mexiko, Pestizide in Flüssen, versalzene Böden – die Liste der Umweltschäden ist ungeheuer groß. Und das sind nur noch zum kleineren Teil die Folgen von Kriegen, sondern vor allem die unseres zerstörerischen Wirtschaftens.

Sie haben das in den griffigen Slogan „Kinder haften für ihre Eltern“ gepackt…

Wir haben die allgemein gültige Aussage „Eltern haften für ihre Kinder“ umgedreht, um zu zeigen, dass Kinder und die nächsten Generationen das ausbaden müssen, was wir heute anrichten: Sie sind die Opfer des Klimawandels, sie müssen damit klarkommen, dass in vielen Teilen der Welt die Wälder verschwinden, Wasserquellen versiegen oder Böden ihre Fruchtbarkeit verlieren.

Wenn Sie sich jetzt um ökologische Kinderrecht bemühen – wie kann man sich das konkret vorstellen?

Wir schicken keine Entwicklungshelfer in die Länder, sondern arbeiten mit NGOs vor Ort oder örtlichen Initiativen zusammen, die in ihrem sozialen Umfeld etwas bewirken wollen. Diese Partner wissen, dass es von zentraler Bedeutung ist, dass wir zunächst einmal die Umweltprobleme vor Ort in den Griff bekommen müssen, wenn wir die Kinderrechte wahren wollen. Es gibt verschiedene terre-des-hommes-Projekte, in denen wir deshalb Information liefern. Das ist die quasi die Grundlage dafür, dass sich etwas verbessert. Wir haben dabei besonders die Landwirtschaft im Blick, weil durch Pestizide besonders viele Menschen vergiftet werden. Nach Informationen des UN-Sonderberichterstatters sterben jährlich fast 50.000 Menschen. Noch viel mehr leiden an ernsthaften und lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen, und darunter eben auch viele Kinder. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jährlich drei Millionen Kinder unter fünf Jahren an umweltbedingten Krankheiten. Wir fördern deshalb viele Schulprojekte in Entwicklungsländern, in denen wir Kindern in Schulgärten beibringen, wie man Gemüse ohne Pestizide und ausschließlich mit biologischen Mitteln anbauen kann.

Warum machen Sie das über die Schulen und nicht direkt über die Eltern?

Über den Schulunterricht erreicht man die Eltern am leichtesten. Aber auch das ist ein längerer Prozess. Man muss zunächst die Lehrer dazu gewinnen. Oftmals ist ja immer noch ein grundsätzliches Umdenken erforderlich, weil viele Menschen immer noch denken: Toll, mit Pestiziden kann ich mir Arbeit sparen, da muss ich kein Unkraut jäten und keine Schädlinge fürchten. Von daher ist unsere Kampagne darauf angelegt, langfristig ein verändertes Bewusstsein zu schaffen. Das gilt auch für unser Projekt „Our Rivers – Our Lifes“, in dem wir versuchen, sauberes Wasser zu erhalten beziehungsweise verschmutzte Gewässer wieder sauber zu bekommen. Dieses Projekt wird in Südost-Asien von 60.000 Kindern und Jugendlichen unterstützt, vor allem in Ländern entlang des Mekong.

Hier in Freiburg treffen sich jetzt über 100 Umweltpreisträger aus der ganzen Welt. Legen Sie ihnen allen jetzt ökologische Kinderrechte ans Herz?

Wir möchten in diesem Bereich, den ich mal als Umweltbewegung bezeichne, die Kinder in die Diskussion ganz explizit mit einbringen. Ich hatte vorhin bereits gesagt, dass Kinder zweimal bedroht sind. Deshalb wollen wir gerade hier das Kinderrecht auf eine gesunde Umwelt präsentieren. Den Vertretern die sich hier treffen, wollen wir den Anstoß dazu geben, dieses Denken mit nach Hause nehmen. Wir zeigen deshalb auch mehrere Banner, die Kinder zur Rio+20-Konferenz 2012 gemalt haben. Wir zeigen ihnen die Stimme der Kinder der Welt.

Das Gespräch führte Horst Hamm.

Dr. Heinz Rotter ist Chemiker und ehrenamtliches Präsidiumsmitglied von terre des hommes. Weitere Infos zur Hilfsorganisation finden Sie hier.

© natur.de – Horst Hamm
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