Während die Politiker noch um die Frage des Kohleausstiegs rangeln, kommt der Klimaschutz nicht recht voran – trotz Ausbau der erneuerbaren Energien. Um die Stromnachfrage in Deutschland zu decken, kommen derzeit neben Sonne, Wind und Wasser vor allem fossile Kraftwerke zum Einsatz. Welche Kraftwerke vorrangig eingesetzt werden, bestimmen dabei bisher die Brennstoffkosten: Je rentabler und günstiger ein Kraftwerk läuft, desto häufiger geht es ans Netz.
Das aber bedeutet: Die ältesten und schmutzigsten Kohlekraftwerke laufen am häufigsten. Was passieren würde, wenn man andere Kriterien für den Kraftwerks-Einsatz anlegt, haben nun Forscher des Öko-Instituts näher untersucht. Sie wollten wissen, wie viel CO2 sich dadurch einsparen ließen, aber auch, ob sich dies rechnen würde. Die Idee: Was wäre, wenn man die Kraftwerke nach ihren Emissionen sortiert und Kraftwerke mit niedrigem CO2-Ausstoß den Vorzug erhalten vor „CO2-Schleudern“?
Ein Viertel weniger CO2
Die Studie ergab: Würde sich die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke nicht an den Kosten orientieren, sondern am jeweiligen CO2-Ausstoß, sähe die Situation heute ganz anders aus. Deutschland könnte dadurch schon heute seine CO2-Emissionen im Stromsektor auf einen Schlag um ein Viertel reduzieren. „Während sich die Bundesregierung nur mit Ach und Krach auf den Klimaschutzplan einigen konnte, lässt sie ein riesiges Einsparpotenzial ungenutzt: den bereits vorhandenen Kraftwerkspark“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy. „Das Potenzial einer veränderten Einsatzreihenfolge darf nicht ungenutzt bleiben.“
Bereits mit der jetzigen Kraftwerkslandschaft würde eine solche „Umsortierung“ dazu führen, dass 79 Millionen Tonnen CO2 weniger bei der Stromerzeugung freigesetzt würden, wie die Forscher errechneten. Denn dann würden nach den erneuerbaren Energien vor allem die emissionsärmeren Gaskraftwerke den Strombedarf decken. Die billigen aber „dreckigen“ Kohlekraftwerke würden dagegen nur anlaufen, wenn der Rest mit der Produktion nicht hinterherkommt.
Einsparpotenzial jetzt am größten
Das Einsparpotenzial durch die geänderte Kraftwerks-Reihenfolge ist jetzt am größten und sinkt dann in der Zukunft allmählich ab. Der Grund dafür: „Der CO2-Reduktionseffekt ist umso größer, je höher der Anteil CO2-intensiver Brennstoffe im Kraftwerkspark ist“, erklärt Studienleiter Christoph Heinemann vom Öko-Institut. Bisher liegt der Anteil der erneuerbaren Energie an der Stromerzeugung bei knapp 35 Prozent. Ein weiterer Ausbau ist aber geplant.
„Je mehr Erneuerbare-Energien-Anlagen es in Deutschland gibt, desto weniger fossile Kraftwerke kommen zum Einsatz. Deshalb sinken die Einsparmöglichkeiten“, so Heinemann. Im Jahr 2030, bei einem Anteil der erneuerbaren Energien von 60 Prozent, würde die Kraftwerks-Umsortierung daher nur noch 43 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Im Jahr 2050, bei einem Anteil der Erneuerbaren von 80 Prozent, wären es noch rund 13 Millionen Tonnen, wie die Studie ergab.
Mehrkosten unter Klimakosten
Die geänderte Einsatz-Reihenfolge der Kraftwerke würde durchaus einige Mehrkosten verursachen, wie die Forscher einräumen. Denn Brennstoffe wie Erdgas sind teurer als Braun- und Steinkohle. Aber: Diese Kosten liegen deutlich unter dem Geld, dass für die Beseitigung der Klimafolgen anfiele. Konkret ermittelte die Studie für den Kraftwerksstand von 2015 Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro im Jahr – das entspricht 14 Euro pro Tonne CO2. Die Klimafolgekosten liegen jedoch nach Schätzungen des Umweltbundesamtes bei 40 bis 120 Euro pro Tonne CO2.
Inwieweit sich durch einen veränderten Einsatz der Kraftwerke neben den höheren Brennstoffkosten weitere Zusatzkosten ergeben würden, hängt davon ab, in welche Richtung sich der Stromhandel weiterentwickelt. „Um den bestehenden Kraftwerkspark in einer ökologischen Reihenfolge einzusetzen, bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Denkbar wären Einspeisevorränge, Anpassungen im Marktdesign oder Maßnahmen, die externe Klimaeffekte gezielt stärker bepreisen als bisher“, sagt Heinemann.
Die Studie des Öko-Instituts zum Download ( PDF)
Quelle: Öko-Institut/ Greenpeace Energy