Groß war der Aufschrei von Anwohnern, Touristen und Naturschützern, als sich der für seine große Klarheit weithin bekannte Stechlinsee, die “Perle” im Norden Brandenburgs, nach einem heftigen Sommersturm im Juli 2011 plötzlich eintrübte. Was war der Grund? Mit Hilfe von Daten, die sie in ihrem Langzeitprogramm erheben, haben Limnologen des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) versucht, die Ereignisse zu rekonstruieren.
Stabile Schichtung macht Wasser klar
Tiefe, nährstoffarme Seen wie der Stechlinsee zeigen im Sommer aufgrund temperaturbedingter Dichteunterschiede des Wassers eine stabile Schichtung mit einer etwa acht bis elf Meter mächtigen warmen Oberflächenwasserschicht, die über dem dauerhaft kalten Tiefenwasser liegt. Diese Schichtung hat einen wesentlichen Einfluss auf die physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse in Seen.
Zum einen verhindert sie den Austausch von Nährstoffen zwischen Tiefen- und Oberflächenwasser. Die vorhandenen Nährstoffe im Oberflächenwasser werden von den Algen rasch aufgezehrt, wodurch weiteres Algenwachstum gestoppt wird und der See relativ klar bleibt. Zum anderen kann das Licht bis in das nährstoffreichere Tiefenwasser dringen, sodass sich dort zusätzlich zu den Algen im Oberflächenwasser besondere Algenpopulationen ausbilden, die mit wenig Licht wachsen können – darunter vor allem einige Cyanobakterien.
Durchmischung kurbelt Algenwachstum an
Genau diese Schichtung könnte im Stechlinsee durch den Sommersturm gestört worden sein, so die Vermutung der Wissenschaftler. Ob diese Hypothese stimmt, haben sie nun mit einem Experiment am IGB-Seelabor – der im Stechlinsee schwimmenden Forschungsplattform – überprüft. Im Versuch simulierten die Forscher einen starken Sommersturm in vier der 24 ins Wasser eingelassenen Zylinder, während vier weitere Zylinder der Versuchsanlage unverändert blieben und als Kontrollen dienten.
Und tatsächlich: Die Stürme zerstören die Schichtung, indem sie Seen bis ins Tiefenwasser hinein durchmischen. Dadurch jedoch gelangen Nährstoffe und Algen aus den tieferen Wasserschichten an die Oberfläche. Das wiederum fördert rasantes Algenwachstum – und macht den See trübe. “Besonders überraschend war für uns, dass diese hohe Aktivität des Planktons und die Eintrübung des Oberflächenwassers mehr als vier Wochen anhielt, obwohl der simulierte Sturm nur vier Stunden dauerte”, erklärt Darren Giling vom IGB.
Für die Zukunft sind dies wenig positive Nachrichten. Denn extreme Sommerstürme könnten den Prognosen nach im Zuge des Klimawandels vermehrt auftreten. “Die Aussichten für klare tiefe Seen sind also trübe”, resümieren die Forscher. Auch deshalb sei es so wichtig, dass die internationale Staatengemeinschaft auf politischer Ebene noch konsequenter Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreift. Gleichzeitig sind weitere Anstrengungen nötig, um Nährstoffeinträge in Seen wie den Stechlin zu begrenzen.
Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V.