Der Mensch ist letztlich nur eines unter vielen räuberischen Wesen auf der Erde. Klar ist allerdings: wir sind anders. Doch wie anders denn? Dieser Frage sind Chris Darimont von der kanadischen University of Victoria und seine Kollegen systematisch nachgegangen. Sie verglichen dazu Informationen zu 2135 Wildtierpopulationen weltweit – zu Lande und zu Wasser. Sie werteten Räuber-Beute-Systeme aus, aber auch die Ausmaße und Charakteristika der Bejagung beziehungsweise Befischung durch den Menschen.
Kritischer Blick auf einen besonderen Räuber
Den Forschern zufolge ist bei unserer Spezies im Vergleich zu tierischen Räubern besonders ungewöhnlich, dass der Mensch es wiederum selbst auf viele Raubtiere abgesehen hat – sei es zur Nahrungsbeschaffung oder als Trophäe. Menschen jagen und töten große Landraubtiere wie Bären, Wölfe und Löwen neunmal häufiger, als sich diese Raubtiere in freier Wildbahn gegenseitig umbringen, zeigten die Auswertungen. Noch krasser ist der Effekt im Meer: Die Fischerei dezimiert Fischbestände 14-mal intensiver als natürliche Meeresräuber, berichten Darimont und seine Kollegen.
Das „Raubtier“ Mensch besitzt auch noch eine weitere kritische Spezialität: „Während Raubtiere meist Jungtiere erbeuten, dezimiert der Mensch die fortpflanzungsfähigen erwachsenen Tiere – das reproduktive Kapital der Bestände“, sagt Co-Autor Tom Reimchen von der University of Victoria. Der Mensch entnimmt dadurch oft die besten und stärksten Individuen aus den Beständen. Dies kann den Forschern zufolge mit kritischen Effekten auf die Tierpopulationen einhergehen, denn diese Auslese entspricht nicht der natürlichen Selektion, die bisher die Entwicklung von Tieren und Ökosystemen prägte.
Mahnung zur Nachhaltigkeit
Eigentlich jagt der Mensch bereits seit Urzeiten auf diese besondere Weise, sagen die Forscher: Technologische und kulturelle Entwicklungen eröffneten bereits unseren Vorfahren eine ungewöhnlich große Bandbreite an Beutetieren. Diese Fähigkeiten bildeten das Fundament der beispiellosen Erfolgskarriere unserer Spezies. Auch Landwirtschaft und Tierhaltung änderten am räuberischen Charakter des Menschen kaum etwas, betonen die Forscher. Er wird indes immer problematischer: Der Mensch hat seine Jäger-Rolle in der jüngeren Zeit monströs ausgebaut.
Bei ihrem Blick auf den Menschen als ein Raubtier kommen die Forscher letztlich zu dem Fazit: „Unsere Auswirkungen sind ebenso extrem wie unser Jagdverhalten, und die Erde ist nun unserer räuberischen Dominanz ausgeliefert“, sagt Darimont. „Die leistungsstarken Tötungstechniken, das Weltwirtschaftssystem und der Blick auf kurzfristige Profite haben den Menschen zum Superraubtier gemacht“, sagt der Wissenschaftler. Er und seine Kollegen sehen in ihrer Studie nun einen dringenden Appell an die Menschheit, umgehend Maßnahmen zur nachhaltigen Nutzung der Tierwelt zu ergreifen. Ihnen zufolge gibt es dabei viele Vorbilder: alle anderen Räuber der Erde.
Quelle: Science, doi:10.1126/science.aac8697