Es ist bis heute eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der deutschen Geschichte: In der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November 1986 brach in einer Lagerhalle des Schweizer Chemiekonzerns Sandoz ein Feuer aus. Mehr als 1.300 Tonnen Chemikalien gerieten in Brand, darunter hochgiftige Pestizide, Insektizide und Quecksilberverbindungen.
Tote Fische auf 400 Kilometern
Mit dem Löschwasser wurden zehn Tonnen dieser Giftstoffe in den nahen Rhein gespült – mit fatalen Folgen. Das Wasser des Oberrheins färbte sich tiefrot, weißer Schaum lagerte sich am Ufer ab. Auf einer Strecke von 400 Kilometern rheinabwärts starben im Fluss massenhaft Fische und andere Wassertiere. Auch Algen und Wasserpflanzen gingen ein. Der Rhein war tot. Die Verseuchung war so gravierend, dass noch in den Niederlanden die Wasserwerke die Wasserentnahme stoppten.
Heute liegt dieser Chemieunfall 30 Jahre zurück und der Rhein hat sich inzwischen wieder erholt. Die meisten der tierischen und pflanzlichen Bewohner sind zurückgekehrt – auch, weil nach der Umweltkatastrophe verschärfte Schutzmaßnahmen und Richtlinien eingeführt wurden. “Die damalige Katastrophe bewirkte ein Umdenken in Politik und Industrie”, sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. “Die schon im Dezember 1986 beschlossenen Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Rheinwasserqualität und zur Störfallvorsorge sowie das ein Jahr später verabschiedete Aktionsprogramm Rhein führten zu einer deutlichen Verbesserung der Wasserqualität.”
Ökologischer Zustand: besser, aber nicht gut
Wie gut die chemische und ökologische Qualität der deutschen Flüsse und Seen heute tatsächlich ist, verrät nun der aktuelle Gewässerbericht von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt. Aus ihm geht hervor, dass es den Gewässern in Deutschland immerhin deutlich besser geht als noch vor 30 Jahren: Im Rhein und vielen weiteren Flüssen lassen sich deutlich mehr Fischarten beobachten. Lachse, die zwischenzeitlich fast ausgestorben waren, fühlen sich in deutschen Gewässern wieder heimisch.
Aber von einem guten ökologischen Zustand kann man bei den meisten Gewässern hierzulande dennoch nicht sprechen. Die meisten Flüsse wurden von den Forschern über fast die Hälfte ihres Laufs als ökologisch schlecht oder unbefriedigend eingestuft. Noch mit am besten schnitten Donau, Eider und Trave ab. Bei Rhein und Elbe wurden knapp 20 Prozent der beprobten Flussabschnitte als ökologisch schlecht bewertet. Den meisten Nachholbedarf gibt es dem Bericht nach bei Weser und Ems.
(Grafik: Bundesumweltministerium)
Schwermetalle, PAKs und Nitrat
Einer der Gründe für die eher maue Beurteilung: Das Wasser vieler Flüsse und Seen enthält noch giftige Altlasten, darunter Quecksilber aus der Verbrennung von Kohle oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe aus Weichmachern und anderen Materialzusätzen. Vor allem in Elbe und Rhein sind noch immer Schwermetalle wie Blei, Kadmium und Nicken und industrielle Schadstoffe nachweisbar, geht aus dem Bericht hervor. In der Elbe fanden die Forscher auch Rückstände des inzwischen verbotenen Pestizids DDT. Wegen dieser andauernden Belastungen erhielt kein Gewässer die Note “gut” beim chemischen Zustand.
Hinzu kommen in vielen Gebieten zu hohe Nitrateinträge in Grund- und Oberflächenwasser. “Die zu hohen Nitrateinträge, die unser Grundwasser belasten, stammen überwiegend aus der Landwirtschaft. Diese muss ihrer Verantwortung für sauberes Wasser gerecht werden”, sagt Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA). “Wir brauchen daher dringend bessere rechtliche Vorgaben zur Düngung, um unser Grundwasser wirksam zu schützen.”
Noch viel zu tun
Laut der im Jahr 2000 beschlossenen Wasserrahmen-Richtlinie sollen alle Flüsse und Seen, Küstengewässer und das Grundwasser bis spätestens zum Jahr 2027 in einem offiziell guten Zustand sein. Bis dies erreicht ist, bleibt allerdings noch einiges zu tun – das räumt auch die Bundesumweltministerin ein:
“Es gibt durchaus erste Erfolge: Wir haben heute viel mehr Kläranlagen. Hunderte Uferkilometer sind wieder naturnah und es gibt weniger Hindernisse für wandernde Fischarten”, sagt Hendricks. “Am Ziel sind wir aber noch lange nicht. Jahrhundertelange Belastungen können wir nicht in kurzen Zeiträumen beseitigen. Jetzt werden weitere Maßnahmen folgen müssen, zum Beispiel strengere Regeln für die Düngung.”
Die wichtigsten Fakten des Gewässerberichts zum Download ( PDF)
Quelle: Bundesumweltministerium, Umweltbundesamt