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Abgas-Mogeleien schon seit acht Jahren bekannt

Deutsche Umwelthilfe legt Chronologie vor

Abgas-Mogeleien schon seit acht Jahren bekannt
Auspuff
Gift aus dem Auspuff: Dieselabgase (Foto: Cristian Kerekes / Fotolia)
Keiner will’s gewusst haben: Zehn Tage nachdem die „VW-Bombe“ rund um die manipulierten Diesel-Abgaswerte platzte, bemühen sich Politik und Autoindustrie noch immer um Schadensbegrenzung. Doch wie die Deutsche Umwelthilfe nun nachweist, gab es schon vor acht Jahren deutliche Hinweise auf Schummeleien bei den Abgaswerten – die Politikern bekannt waren.

Am 19. September 2015, passend zur Eröffnung der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), wurde bekannt, dass VW seine Fahrzeuge gezielt mit einer Software ausrüstet, die bei Abgasuntersuchungen falsche Werte produziert. Gut 2,8 Millionen Dieselfahrzeuge sollen allein in Deutschland betroffen sein, weltweit sind es elf Millionen. Inzwischen deuten erste Tests darauf hin, dass auch Autos anderer Hersteller gegen die Abgasnormen verstoßen.

Der Trick dahinter: Die in diesen Fahrzeugen installierte Bordelektronik erkennt, dass gerade eine Prüfung läuft und schaltet auf möglichst emissionsarmes Fahren. Das funktioniert unter anderem deshalb, weil Prüfungen in der Werkstatt entweder nur die Bordelektronik auslesen oder unter immer gleichen Bedingungen stattfinden – beispielsweise mit nur zwei laufenden Reifen und bei maximal 120 Kilometern pro Stunde. Unter Straßenbedingungen und bei Geschwindigkeiten über 120 Kilometer pro Stunde wird der Katalysator dagegen abgeschaltet, damit das Auto mehr Leistung bringt.

Ungefiltert in die Luft

Das aber hat zur Folge, dass ausgerechnet bei besonders hohen Verbrennungstemperaturen die Dieselabgase ungefiltert die Luft verpesten. Die dabei freigesetzten Stickoxide schaden nicht nur direkt der Gesundheit, sie sind auch Vorläufersubstanzen für Feinstaub, der jährlich mehr als drei Millionen Todesfälle weltweit durch Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach sich zieht. Nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) könnten Dieselfahrzeuge für 26 Prozent der Stickoxidbelastung in deutschen Städten verantwortlich sein.

Wie in den USA, so regeln auch in Deutschland beziehungsweise Europa rechtliche Verordnungen – in diesem Falle (EG) Nr. 715/2007 und 692/2008 –, dass die Abgasgrenzwerte nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Normalbetrieb eingehalten werden müssen. Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, wie sie in den USA bei Fahrzeugen von VW und Audi nachgewiesen wurden, ist auch in Europa ausdrücklich verboten. Als Verstoß gilt zudem die Abgabe falscher Erklärungen bei Genehmigungsverfahren und Verfälschung von Prüfzeugnissen.

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Erste Hinweise schon 2007

Nach Bekanntwerden des VW-Betrugsskandals gaben sich die Behörden, die Bundeskanzlerin Merkel und ihre Bundesminister daher zunächst überrascht, geschockt und ahnungslos. Doch die DUH belegt nun in einer Chronologie, dass das so nicht stimmt. Denn bereits vor acht Jahren, zur IAA 2007, wies die Organisation auf Betrug der Autokonzerne bei Abgaswerten und Spritverbrauch hin und forderte das Bundesverkehrsministerium und Kraftfahrtbundesamt auf, dagegen einzuschreiten. Erläutert wurden schon damals detailliert die von den Herstellern angewandten illegalen Tricks, darunter auch die Erkennung des Prüfzyklus und die Verwendung von Abschalteinrichtungen.

In den folgenden acht Jahren warnte die Umweltorganisation in unzähligen Pressekonferenzen, Fachgesprächen, mit Veröffentlichungen, Abgastests und Aktionen vor immer dreisteren Verstößen gegen Gesundheits- und Klimaschutz bei den Abgasemissionen und Spritverbräuchen. Doch selbst persönliche Interventionen bei den wechselnden Bundesumwelt- und Verkehrsmistern beziehungsweise deren Staatssekretären erbrachten kein Ergebnis.

Keine Reaktion trotz wiederholter Warnungen

Anfang 2011 weisen Vertreter der DUH im Bundesverkehrsministerium und in der Öffentlichkeit auf Probleme von VW-Modellen mit zu hohen Stickoxid-Emissionen hin, unter anderem auf rechtswidrig hohe NO2-Werte beim VW Passat Euro 6. Bei ADAC-Tests an einem BMW 116i stellten sie zudem ein plötzliches Hochschießen der Stickoxidwerte um das 30-fache fest, wenn der Wagen statt nur auf 120 auf 130 km/h beschleunigt wurde. Trotz intensiver Medienberichterstattung habe es darauf aber keinerlei Reaktion des Bundesverkehrsministerium oder des Kraftfahrtbundesamtes gegeben, so die DUH.

Im Mai 2013 legt die DUH in einer Pressekonferenz eine neue Auswertung vor, nach der die Abweichungen beim CO 2-Ausstoß und damit der Spritverbrauch von sieben Prozent im Jahr 2001 um nunmehr 42 Prozent angestiegen sind. Im März 2014 wies die DUH Bundesumweltministerin Hendricks auf hohe Stickoxidemissionen auch bei bestimmten Stadtbussen hin. Nach einem Jahr der Diskussionen und Fachgespräche kam im März 2015 die Antwort der Ministerin: „Nach hiesigem Kenntnisstand erfüllen die Hersteller … die Anforderungen der EU-Abgasvorschriften, so dass keine rechtliche Handhabe besteht, um technische Verbesserungen am Fahrzeug zu ‘verlangen‘.“

Sogar die EU beschwerte sich

In ungewöhnlich scharfer Form protestierte sogar die EU-Kommission schon am 18. Juni 2015 in einem als vertraulich gestempelten Schreiben gegen die Janusköpfigkeit der Bundesregierung, wie die DUH berichtet. Darin wird kritisiert, dass die Bundesregierung zwar öffentlich die Anwendung von realistischeren Emissionstests fordert, aber diese selbst nicht umsetzt. Es heißt: „Dass in der Praxis die Standpunkte und Maßnahmen Deutschlands im Rahmen des laufenden Komitologieverfahrens … nicht immer dem erklärten Engagement entsprachen.“

Die EU-Kommission wirft Deutschland gar vor, zu den Mitgliedsstaaten zu gehören, die vorgeschlagen haben, „die Bezugnahmen auf den Zeitplan … zu schwächen.“ Als Hauptbremser sieht die DUH dabei sowohl das Bundesverkehrsministerium als auch das Kraftfahrzeugbundesamt. „Das Kraftfahrzeugbundesamt hat unsere über acht Jahre dauernde permanente Erinnerung an ihre gesetzliche Pflicht zur Kontrolle ignoriert und dadurch die fortgesetzte Vergiftung unserer Innenstädte mit hochgiftigen Dieselabgasen behördlich abgesegnet“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe

© natur.de – Nadja Podbregar
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