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Agrarpolitik: Was bringt das „Greening“?

EU-Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt laufen oft ins Leere

Agrarpolitik: Was bringt das „Greening“?
Greening
Hecken dienen der Vernetzung von Biotopen und sind daher eine sinnvolle Greening-Maßnahme (Foto: Thomas Hesse)
Es klingt eigentlich ganz sinnvoll: Landwirte bekommen von der EU Geld dafür, dass sie auf ihren Flächen bestimmte Maßnahmen zum Schutz von Flora und Fauna umsetzen. Doch welche dieser sogenannten Greening-Maßnahmen bringen wirklich etwas für die Natur? Und welche werden eingesetzt?

Die Artenvielfalt der europäischen Agrarlandschaften ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen: Die Bestände der Feldlerche sind im Sinkflug, die Bestände etlicher Hummel- und Schmetterlingsarten sind massiv geschrumpft. Und wer nach den blauen Blüten des früher weit verbreiteten Acker-Rittersporns sucht, wird vielerorts enttäuscht. Um dem etwas entgegenzusetzen, hat die EU im Jahr 2013 ein neues Instrument eingeführt, das sogenannte Greening. Das Prinzip ist einfach: Landwirte bekommen Geld dafür, dass sie auf ihren Flächen bestimmte Maßnahmen zum Schutz von Flora und Fauna umsetzen.

Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, Flächen brachliegen zu lassen, ungenutzte Pufferstreifen entlang von Gewässern zu schaffen oder besondere Landschaftsstrukturen wie Hecken oder Teiche zu erhalten. Die Landwirte können aber auch Hülsenfrüchte wie Erbsen, Ackerbohnen oder Lupinen anbauen, die Stickstoff aus der Luft fixieren. Oder sie können Zwischenfrüchte wie Ackersenf oder Ölrettich einsäen, die das Feld auch im Winter grün halten und so Bodenerosion verhindern. Im Ausgleich erhalten die Landwirte in Deutschland eine Prämie von 86 Euro pro Hektar.

Greening bringt nur wenig

Aber was bringt dieses Greening? Und wie wird es umgesetzt? Das haben Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und weiterer Forschungseinrichtungen nun untersucht. „Wir wollten unter anderem wissen, was die verschiedenen ökologischen Vorrangflächen für die Biodiversität bringen“, erklärt Studienleiter Guy Pe’er vom UFZ. Also hat das Team die Erfahrungen von 88 Ökologen aus 17 europäischen Ländern ausgewertet, die sich speziell mit Agrarökosystemen beschäftigen.

Dabei kommen sie zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Maßnahmen bringen oft wenig für die Artenvielfalt, für die Landwirte sind sie zum Teil schlecht umsetzbar. Und die Steuerzahler kostet das Ganze trotzdem viel Geld. Insgesamt werden derzeit etwa drei Viertel aller Vorrangflächen in der EU auf eine Weise genutzt, die wenig oder gar keine Vorteile für die Artenvielfalt bringt.

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Am wenigsten Sinnvolles ist am beliebtesten

Wie die Forscher herausfanden, sind beispielsweise Pufferstreifen, Hecken und Natursteinmauern besonders wichtig für die Biodiversität. Doch gerade sie sind für Landwirte meist nur mit relativ hohem Aufwand und Kosten zu etablieren, wie die Forscher erklären. Entsprechend selten wird diese Maßnahme umgesetzt. Ebenfalls ökologisch sinnvoll ist Brachland. Immerhin rund 21 Prozent der EU-weit ausgewiesenen Vorrangflächen bestehen aus solchen Brachen.

Mit Abstand am häufigsten wählen Landwirte jedoch zwei Greening-Maßnahmen, in denen Ökologen wenig Sinn erkennen – die sich aber einfach und kostengünstig umsetzen lassen: Auf rund 45 Prozent der Vorrangflächen in der EU wachsen Stickstoff-fixierende Hülsenfrüchte. Weitere 27 Prozent entfallen auf Zwischenfrüchte, in Deutschland kommt der Anteil dieser Variante sogar auf 68 Prozent. „Der Anbau von Zwischenfrüchten oder Stickstoff-Fixierern bringt aber für die Artenvielfalt nicht viel“, sagt Guy Pe’er. „Das gilt besonders, wenn auf den Flächen Pestizide eingesetzt werden dürfen“.

Aufforstung raus, mehr Geld für Hecken und Co

„Was Ökologen für sinnvoll halten, ist also nicht unbedingt das, was auch die Landwirte gut finden“, resümiert Guy Pe’er. Er und seine Kollegen plädieren dafür, künftig jene Vorrangflächen abzuwerten oder abzuschaffen, die kaum oder gar keinen Nutzen für die Biodiversität bringen. So könnte etwa die Aufforstung nach Ansicht der Forscher ganz aus dem Katalog gestrichen werden. „Eine Streichung der unwirksamen Optionen würde Greening vereinfachen, wie es Landwirte fordern“, sagt Yves Zinngrebe von der Universität Göttingen.

Ebenfalls helfen würde es, wenn ökologisch wertvolle, aber aufwändigere Maßnahmen wie Pufferstreifen und Hecken noch besser bewertet und honoriert würden. Schon heute zählt ein Hektar Landschaftsstrukturen in den EU-Vorschriften mehr als ein Hektar Stickstoff-Fixierer. „Wenn man diesen Unterschied noch größer macht, lohnen sich die ökologisch wertvollen Varianten auch eher“, erläutert Sebastian Lakner vom UFZ. Ebenfalls wichtig wäre es, auf den Vorrangflächen den Einsatz von Pestiziden zu verbieten. Eine Ausweitung der ökologischen Vorrangflächen von fünf auf sieben Prozent, wie sie die EU-Kommission derzeit diskutiert, sei dagegen wenig sinnvoll.

Naturverträgliche Bewirtschaftung besser als Greening

Ob Greening langfristig überhaupt das richtige Rezept gegen den Schwund der biologischen Vielfalt ist, bezweifeln die Forscher. Für erheblich sinnvoller halten sie die auf EU-Ebene existierenden Agrar-Umweltprogramme, mit denen umwelt- und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen gefördert werden – und zwar maßgeschneidert für verschiedene Lebensraumtypen. „Das ist ein etabliertes Politik-Instrument, das die Ziele oft viel besser erreicht und dabei Steuergelder effizienter einsetzt“, sagt Lakner.

Diese Einschätzung teilen auch viele der Experten, die er und seine Kollegen für ihre Studie befragt haben. Für den dringend erforderlichen Ausbau der ökologisch wertvollen Flächen sowohl auf Grünland- als auch auf Ackerstandorten ist es wichtig, die Agrarumweltprogramme hierfür zielspezifisch auszubauen und für die Landwirte und Mitgliedsstaaten finanziell und kontrolltechnisch attraktiver zu machen. „Wir hoffen deshalb, dass unsere Vorschläge in Brüssel zur Kenntnis genommen werden“, so die Wissenschaftler.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)

© natur.de – Nadja Podbregar
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