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Ameise reiste per „Luftfracht“

Über die Ostsee gepustet

Ameise reiste per „Luftfracht“
Temnothorax
Über das Meer geflogen: Temnothorax crassispinus (Foto: Senckenberg/ Seifert)
Skurrile Taktik: Obwohl sie total wasserscheu ist, hat eine Ameisenart die Ostsee überwunden. Biologen haben die sonst in Mitteleuropa heimische Art erstmals auf einer schwedischen Schäreninsel entdeckt. Wie sie es über das Meer schaffte, ist erstaunlich: Die Ameise ließ sich offenbar mit dem Wind über die Ostsee pusten.

Die Ameisen der Art Temnothorax crassispinus sind eher unauffällige Gesellen: Die nur rund drei Millimeter kleinen, gelblich-bräunlichen Krabbler leben in Wäldern und bauen ihre Nester in Totholz, in Eicheln oder unter der Borke von Bäumen. Verbreitet ist diese Art dabei vor allem in Mitteleuropa und entlang der Ostsee bis nach Lettland hinauf – so dachte man bisher jedenfalls.

Erstaunlicher Fund

Doch jetzt haben Wissenschaftler diese Ameisenart erstmals auch in Schweden entdeckt – und das ausgerechnet auf einer Schäreninsel nordöstlich von Stockholm. Das Seltsame daran: Die Ameisenart Temnothorax crassispinus ist nicht nur wasserscheu, das kühle Nass bekommt ihr auch absolut nicht. „Die Tiere sterben nach dem Kontakt mit Wasser in kurzer Zeit“, erklärt Bernhard Seifert vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz.

Hinzu kommt, dass die geflügelten Stadien dieser Ameisen eher schlechte Flieger sind – Langstreckenflüge sind ihre Sache nicht. „Da stellte sich für uns die Frage: Wie haben es die wasserscheuen und schlecht fliegenden Tiere auf so ein Felseneiland geschafft?“, sagt Seifert. Immerhin liegen die nächstgelegenen großen Temnothorax crassispinus-Populationen in Lettland und Polen – über 200 Kilometer südwestlich der schwedischen Insel Hästnacken.

Blinde Passagiere im Holz?

Die Suche nach dem Reiseweg der kleinen Ameisen entwickelte sich zu einem wahren Detektivspiel. Die erste Idee der Forscher: Vielleicht wurden die Ameisen ja mit Brennholz eingeschleppt. Denn auf der Schäreninsel Hästnacken gab es früher eine Ziegelei, die zum Brennen der Ziegel viel Holz importierte. „Diese Ameisen nisten bevorzugt in Eichenwäldern, da lag es nahe an Holzimporte mit ‚blinden Passagieren‘ zu denken“, berichtet Seifert.

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Die Forscher durchmusterten deshalb historische Unterlagen über Holzimporte und den Ziegeleibetrieb aus der Zeit nach dem Ende des Nordischen Krieges im Jahr 1720. Doch dabei fanden sie heraus, dass Schweden nach dieser Zeit den Handel mit den südlichen und südöstlichen Ländern aufgab. Die Ziegelei erhielt seither ihr Holz überwiegend aus dem eigenen Land oder aus Finnland. Auf diesem Wege konnte die Ameisen daher nicht eingeschleppt worden sein.

Zu Fuß bis nach Schweden?

Wie aber waren die kleinen Ameisen dann so weit nach Norden gelangt? Sind sie vielleicht einfach gelaufen? Am ehesten hätten die winzigen Insekten dann eine Route über Deutschand und Dänemark nach Schweden nehmen können. Die Meeresarme müssten sie dann auf Fähren überwunden haben. Doch auch diese Theorie hat einen Haken: Auf dem schwedischen Festland fehlt jede Spur von dieser Ameisenart.

Stattdessen lebt hier ein starker Konkurrent: „Hier breitet sich seit etwa 8300 Jahren eine andere, in ihrer Lebensweise sehr ähnliche Ameisenart – Temnothorax nylanderi – aus“, erklärt Seifert. Und dort, wo diese Art lebt, hat Temnothorax crassispinus keine Chance. Selbst eine Durchreise wäre extrem unwahrscheinlich, meinen die Forscher. Der Landweg scheidet daher ebenfalls aus.

Reise per „Luftfracht“

Damit bleibt für die kleinen Ameisen eigentlich nur noch ein Weg übrig: durch die Luft. Die Forscher vermuten, dass Temnothorax crassispinus mit dem Wind von Lettland oder Polen über die Ostsee nach Schweden transdportiert wurde. „Die Tiere sind zwar ziemlich schlechte aktive Flieger – ihre im Verhältnis zum geringen Gewicht sehr große Flügelfläche macht sie aber ideal für den passiven Transport als ‚Luftplankton'“, begründet Seifert.

Für diesen Reiseweg spricht auch, dass im Sommer die vorherrschende Windrichtung über der Ostsee dafür günstig steht. In der Zeit, in der die geflügelten Ameisen unterwegs sind, könnte der Wind sie nach Nordwesten getragen haben. „Was erstmal seltsam klingt, ist für uns die plausibelste Erklärung“, meint Seifert. Noch haben die Forscher allerdings keine Ameise inflagranti beim Lufttransport ertappt – aber das kann ja noch kommen.

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

© natur.de – Nadja Podbregar
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