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Atommüll ab ins Bohrloch?

USA plant Pilotprojekt

Atommüll ab ins Bohrloch?
Atommüll
Wohin mit dem Atommüll (© Thomas Bethge / Fotolia)
Während in Deutschland weiter über Atommüll-Endlager diskutiert wird, erlebt anderswo eine Alternative ihre Renaissance: das Deep Borehole Disposal. Gemeint ist damit das Versenken von hochradioaktiven Abfällen in rund 5000 Meter tiefen Bohrlöchern. In den USA sind die Vorversuche und Pläne schon so weit gediehen, dass im nächsten Jahr ein Pilotprojekt beginnen soll.

Die Idee ist nicht neu: Schon in den 1950er Jahren schlugen Forscher vor, ausgebrannte Kernbrennstäbe und anderen hochradioaktiven Atommüll in tiefen Bohrlöchern zu versenken. Diese Bohrlöcher sollen mindestens fünf Kilometer tief reichen – bis in den Granitsockel der Kontinentkruste. In das nur maximal einen halben Meter breite Loch werden dann Kanister mit dem Atommüll eingefüllt und dann das Ganze je nach Konzept mit geschmolzenem Gestein oder Spezialzement versiegelt und aufgefüllt.

Renaissance der alten Idee

Seit diesen ersten Konzepten dümpelten Forschung und Pläne für das Deep Borehole Disposal (DBD) zunächst eher vor sich hin. Zum einen schien es erstmal nicht so dringend, denn nukleare Abfälle wurden in den meisten Ländern zunächst zwischengelagert. Zum anderen setzte man für Endlager primär auf alte Bergwerke und Salzstöcke. Inzwischen aber hat die Menge des Atommülls immer mehr zugenommen und die geplanten Endlager stellten sich als weit weniger sicher und geeignet heraus, als zuvor erhofft.

Als Folge erlebt nun das Deep Borehole Disposal eine Renaissance. Seit einigen Jahren wird in den USA, in Schweden und Großbritannien wieder verstärkt an dieser Entsorgungsmethode geforscht, auch in Regierungseinrichtungen ist das DBD inzwischen wieder Thema. Das US-Energieminsterium schlägt in einem Report tiefe Bohrlöcher als Alternative zu einem klassischen Endlager vor und hat bereits einen Art Fünfjahresplan aufgestellt, in dem die noch zu lösenden Fragen und nächsten Schritte detailliert beschrieben und definiert werden.

Pilotprojekt schon im nächsten Jahr

Vor wenigen Wochen gab es zudem ein Hearing vor dem Technologie-Komitee des Weißen Hauses, in dem es um konkrete Pläne für ein Pilotprojekt dieser Technologie ging. Demnach plant die USA, bereits im nächsten Jahr erste Pilottests mit solchen tiefen Bohrlöchern durchzuführen. Es werden dafür Löcher von knapp einem halben Meter Durchmesser gebohrt, in die – noch leere – Abfallkanister hineingelassen und wieder herausgeholt werden.

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Dabei sollen sowohl die Absenktechniken getestet werden als auch Materialien und Verfahren, mit denen später die Atommüll-Kanister eingeschlossen werden sollen. „Wir müssen diese Bohrungen und das Demonstrationsprojekt durchführen und die Forschung damit weiterführen – und genau das wollen wir im Jahr 2016 auch tun“, sagte US-Energie-Staatsekretär Ernest Moniz beim Hearing zum Thema DBD.

Strahlender Abfall aus dem kalten Krieg

Sollten die Pilottests erfolgreich sein, hoffen die US-Behörden, in solchen Bohrlöchern ihren dringendsten Atommüll loszuwerden: hochradioaktiven Abfall aus der Zeit des Kalten Krieges, der bei der Produktion von waffenfähigem Plutonium übrig blieb. Dieser Atommüll lagert heute gekühlt in Spezialtanks im Nuklearkomplex Hanford im US-Bundesstaat Washington – einem der am stärksten verstrahlten Orte der westlichen Hemisphäre.

Ursprünglich sollten die knapp 2000 Behälter mit hochradioaktiven Abfall im geplanten Endlager Yucca Mountain in Nevada eingelagert werden, doch US-Präsident Barack Obama und seine Regierung legten diese Pläne auf Eis. Jetzt hofft die Energiebehörde, in der Bohrloch-Technik eine Alternative zu finden. Nach Berechnungen von Forschern könnte schon ein tiefes Bohrloch reichen, um 40 Prozent des Hanford-Atommülls zu versenken.

Besser als herkömmliche Endlager?

Die Vorstellung, den hochradioaktiven Atommüll einfach in den Boden zu pumpen und dann zu vergessen, klingt ziemlich gruselig – eher nach Vogel Strauß-Politik als nach einer sicheren Entsorgung. Doch nach Ansicht einiger Wissenschaftler hat das Deep Borehole Disposal (DBD) durchaus konkrete Vorteile gegenüber herkömmlichen Endlagern in geringerer Tiefe.

„Das Deep Borehole Disposal ist besonders für hochradioaktive Atomabfälle geeignet, weil die hohe Strahlung und Hitze hierbei weniger Probleme bereiten als bei anderen Alternativen“, erklärt Fergus Gibb von der University of Sheffield. Weil der Atommüll in einem engen Loch in mehreren Kilometern Tiefe lagert, sei die Gefahr gering, dass Grundwasser oder die Oberfläche kontaminiert würden, so der Forscher. Denn die für Trinkwasser und Co genutzten Grundwasserleiter liegen weit oberhalb dieser tiefen Bohrloch-Endlager.

Keine Gefahr für kommende Generationen?

Zudem führt nur ein kleines, maximal einen halben Meter breites Loch in die Tiefe, das mit einem mehrere Kilometer dicken Pfropfen aus Spezialzement verfüllt wird. Selbst wenn im engen Bohrloch Kanister lecken oder durch die intensive radioaktive Hitze aufschmelzen, drohe daher selbst nachfolgenden Generationen keine Gefahr. „Ein Großteil der Bohrerfahrung und der Ausrüstung, um solche Bohrlöcher zu erzeugen, gibt es bereits in der Öl- und Gasbranche und in der Geothermie“, sagt Gibb.

Zumindest für die Politiker dürften allerdings vor allem diese Vorteile eine Rolle spielen: Die Bohrloch-Deponien sind billiger als ein herkömmliches Endlager und müssen, einmal verschlossen, nicht gewartet oder aufwändig überwacht werden. Und weil geeignetes Granitgestein in diesen Tiefen fast überall vorkommt, ist auch die Suche nach einem Standort einfacher – oder wie es in der Pressemeldung der Sheffield University lapidar heißt: „Weil es mehr potenzielle Standorte gibt, sollte es auch einfacher sein, die öffentliche und politische Akzeptanz für diese Technologie zu gewinnen“. Ob das allerdings der Fall ist, bleibt abzuwarten.

Zu den Gefahren des Uranbergbaus lesen Sie in natur 4/2015 „Strahlende Landschaften“ und „Gefährlich für die ganze Welt“.

Quellen: University of Sheffield / DOE/ Sandia Lab

© natur.de – Nadja Podbregar
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