Das Phänomen ist bereits lange bekannt: Blutschnee bildet sich im späten Frühling und im Sommer auf den Gletscheroberflächen der Arktis oder im Hochgebirge, wenn Schmelzwasserfilme entstehen. Die Verursacher sind einzellige Algen, die sich an ein Leben auf Eis und Schnee angepasst haben. Die normalerweise typische Grünfärbung der Algen ist bei den Vertretern des Roten Schnees durch rote Pigmente überdeckt, mit denen sie sich vor zu starker Strahlung schützen.
Rot macht warm
Schon länger ist bekannt, dass die skurrilen Algen die Schnee- und Eisoberflächen verdunkeln und so eine höhere Wärmeaufnahme verursachen können. Wie groß dieser Effekt tatsächlich ist, war allerdings unklar. Dieser Frage sind nun Forscher vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam und der Universität von Leeds nachgegangen. Sie untersuchten dazu Schneealgen von 21 Gletschern. Ihre Analyse umfasst ein Gebiet, das von Grönland über Island, Spitzbergen und bis in das arktische Schweden reicht. Die Studie kombinierte mikrobiologische und genetische Untersuchungen von roten Schneealgen mit den geochemischen und mineralogischen Eigenschaften sowie der Albedo ihres Lebensraums. Es handelt sich dabei um das Maß, wie stark Schnee- und Eis-Flächen das Sonnenlicht reflektieren.
Das Fazit der Forscher zu den Studienergebnissen lautet: Der Beitrag von Schneealgen zur Gletscherschmelze ist bisher stark unterschätzt worden. Die Ergebnisse belegen, dass großflächige rote Algenblüten die Rückstrahlung (Albedo) der Flächen insgesamt um etwa 13 Prozent über eine ganze Schmelzsaison gerechnet verringern. Wie die Forscher berichten, führt die dadurch entstehende Erwärmung auch noch zu einem selbstverstärkenden Effekt: Je mehr Schnee und Eis tauen, desto mehr blühen die Algen. Das führt wiederum zu einer stärkeren Verdunklung der Oberfläche, die erneut das Tauen beschleunigt.
Mit dem Bio-Albedo muss man rechnen
„Mit dieser Studie zeigen wir, dass der Bio-Albedoeffekt wichtig ist und in künftige Klimamodelle integriert werden muss“, sagt Stefanie Lutz vom GFZ. Ihre Kollegin Liane Benning ergänzt dazu: „Unsere Arbeit zielt darauf ab, ein universelles Modell von Bio-Albedo-Wechselwirkungen, die momentan in den Klimamodellen fehlen, besser zu definieren.“
Ein internationales Team von Forschern unter britischer Leitung wird nun in den kommenden Wochen nach Grönland reisen, wo derzeit ungewöhnlich hohe Temperaturen für Rekordschmelze sorgen. Mit dabei sein werden auch Steffi Lutz und Liane Benning. Gemeinsam mit den ihren britischen Kollegen wollen sie nun untersuchen, ob und wie stark Schneealgen mit ihrer Blüte zu den Rekordraten der Eisverluste beitragen.
Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ