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Bürgerwissenschaftler am Fuße des Vulkan

Freiwillige Forscher retten Menschenleben

Bürgerwissenschaftler am Fuße des Vulkan
Vulkanausbruch
Vulkanausbruch
In vielen Gebieten der Welt leben Menschen in der Nähe aktiver Vulkane, wegziehen wollen sie nicht. Durch den Einsatz freiwilliger Helfer aus ihrer Mitte, die unermüdlich Daten erheben und mit den Wissenschaftler kommunizieren, können sie dennoch ein relativ sicheres Leben führen. Ein Bericht über den Erfolg der Vigías in Ecuador

Die Menschen in Pompeij im Jahre 79 nach Christus waren noch gänzlich unvorbereitet, der Vesuv galt jahrhundertelang als erloschen. Heute bieten hochmoderne Messinstrumente und geologische Vorhersagen eine weit bessere Datenlage und ermöglichen eine bessere Reaktion. Man denke an die Vulkanaktivitäten jüngerer Zeit auf Island, die keine Menschenleben forderten, dafür aber Medien und Flugverkehr tagelang in Aufruhr versetzten. Doch der  Widerstand gegen eine dauerhafte Umsiedlung  bleibt. Weltweit leben mehr als 600 Millionen Menschen nahe eines aktiven Vulkans. Sie alle umzusiedeln, ist quasi unmöglich. Doch Studien zeigen, dass auch in diesen Risikogebieten ein relativ sicheres Leben möglich ist. Entscheidend ist eine gut funktionierende Kommunikation und Zusammenarbeit der Bewohner mit Wissenschaftlern und lokalen Risikobeauftragten.

Daten sammeln, Leben retten

In den ecuadorianischen Anden zeigt ein Netzwerk von Freiwilligen, wie es funktionieren kann. Sie nennen sich Vigías, die Wächter, und sind seit 14 Jahren die Schnittstelle zwischen den Bewohner der Stadt Baños und den besorgten Vulkanologen. Damals, im Jahr 2000 wurde der Vulkan Tungurahua wieder aktiv, die Stadt sollte aus Sicherheitsgründen evakuiert werden. Doch die Bewohner sträubten sich, ihre Häuser und Felder zu verlassen. Diese Furcht um Hab und Gut war so groß, dass die Bürger schließlich mit Gewalt in ihre Stadt zurückdrängten. „Dieses Muster von Wiederbesetzung ist sehr verbreitet in Vulkangegenden und nach anderen Umweltkatastrophen. Die Menschen von Baños wollten nach Hause, obwohl es dort nicht sicher war“, erklärt Jonathan Stone von der University of East Anglia, der Autor des Reports.

„Der Aufbau des Vigía-Netzwerkes war zuerst ein Kompromiss zwischen den Bürgern und den Sicherheitsbeauftragten.“ Die 35 Freiwilligen helfen den Wissenschaftlern, Daten zur vulkanischen Aktivität zu sammeln. Sie sind die Ersten die neue Eruptionen wahrnehmen und diese Informationen weitergeben. Und wenn es dann wirklich zu einer Krise kommt, können sie eine Evakuierung durchführen, ohne dass sich die Menschen dagegen wehren. „Dieses Netzwerk ermöglicht es Gemeinden, weiter in bedrohten Gegenden zu leben und zu arbeiten, da es ihnen ermöglicht, schnell auf Eskalationen zu reagieren“, so Stone. Aus Sicht des Wissenschaftlers wäre es die Ideallösung, die Menschen dauerhaft aus der Gefahrenzone zu bringen. Doch ihm ist klar, dass das nicht immer funktioniert. Gerade in den ecuadorianischen Anden gibt es kaum Orte, die nicht mindestens im Ausbruchsgebiet eines Vulkans liegen.

Hobby-Wissenschaftler“ als Bindeglied

Die Vigías konnten in den letzten Jahren schon einmal eindrücklich zeigen, dass ihr Konzept funktioniert. Bei einer der letzten großen Ausbrüchen 2006 gelang es Ihnen, die Menschen rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Auch in diesem und im letzten Jahr kam es immer wieder zu Eruptionen. Dass dabei keiner ums Leben kam, liegt an der schnellen und strukturierten Reaktion der bürgerlichen Wächter. „Entscheidend ist, dass sie ein begründetes Interesse daran haben, bestens vorbereitet zu sein. Sie wollen ihren Gemeinden helfen“, sagt Stone. „Für sie sind wir Wissenschaftler Freunde und Kollegen, was einen sehr starken Einfluss auf den Erfolg des Netzwerkes hat.“

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Nach Ansicht von Jonathan Stone und seine Kollegen sind die ecuadorianischen Vigías ein Vorbild für ein Konzept, dass auch in anderen Zusammenhängen erfolgreich sein kann. Die Wissenschaft braucht in so  vielen Dingen die Hilfe und das Vertrauen der Bevölkerung, ganz besonders, wenn es um Katastrophen und Risikokommunikation geht. Ambitionierte wissenschaftliche Helfer, auch „citizen scientists“ genannt, könnten dabei  Leben retten – so wie sie es in den Anden schon mehrmals getan haben.

Quelle: Jonathan Stone, Jenni Barclay, Peter Simmons, Paul D Cole, Susan C Loughlin, Patricio Ramón, Patricia Mothes. Risk reduction through community-based monitoring: the vigías of Tungurahua, Ecuador. Journal of Applied Volcanology, 2014; 3 (1): 11 doi: 10.1186/s13617-014-0011-9

Foto: University of East Anglia

© natur.de – Edith Luschmann
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