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CO2-Abdruck jenseits der Stadtgrenzen

"Fernwirkung" gibt Städten die Chance zum weitreichenden Klimaschutz

CO2-Abdruck jenseits der Stadtgrenzen
Berlin
Berlin verursacht außerhalb seiner Stadtgrenzen sogar mehr CO2-Emissionen als innerhalb (Foto: JFK Photography/ Fotolia)
Die Klimawirkung einer Stadt reicht überraschend weit. Denn der Konsum und die Bedürfnisse ihrer Bewohner verursachen auch ganz woanders Treibhausgas-Emissionen, wie Forscher belegen. Das bedeutet aber auch: Städte können mehr für den Klimaschutz tun als landläufig gedacht.

Die Metropolen wachsen: Schon jetzt lebt gut die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, bis zum Jahr 2050 werden es nach Schätzungen der UN schon zwei Drittel sein. Das aber hat Folgen. Denn die Ballungsräume mit ihrer dichten Bevölkerung verbrauchen enorme Mengen an Ressourcen. Die Stadtbewohner benötigen Strom, Wasser und jede Menge Konsumgüter – und all das muss meist von außerhalb importiert werden. Städte spielen daher auch beim Kampf gegen den Klimawandel eine entscheidende Rolle.

CO2-Fußabdruck reicht über Stadtgrenze hinaus

Bisher allerdings konzentrieren sich sowohl die Erhebungen der städtischen Treibhausgas-Emissionen als auch die Klimaschutzbemühungen auf die sogenannten territorialen Emissionen – das CO2, das direkt im Stadtbereich freigesetzt wird. Doch das ist noch lange nicht der gesamte CO2-Fußabdruck einer Stadt, wie Peter-Paul Pichler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und seine Kollegen festgestellt haben.

Für ihre Studie hatten die Forscher am Beispiel von Berlin, New York, Mexiko-Stadt und Delhi untersucht, wie groß die indirekten, vorgelagerten Emissionen von Großstädten sind. Dieser CO2-Ausstoß entsteht beispielsweise, wenn für den Strombedarf der Städter anderswo Kohlekraftwerke laufen, aber auch wenn Zement und andere Baustoffe im Umland produziert oder Konsumgüter importiert werden.

Wohnen und Verkehr mit Fernwirkung

Das Ergebnis: Der CO2-Fußabdruck, den eine Großstadt außerhalb ihres Stadtgebiets erzeugt, ist mindestens ebenso groß wie die Emissionen in der Stadt selbst – teilweise sogar noch größer. So kommt Berlin beispielsweise im Schnitt auf territoriale Emissionen von 5,6 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr. Außerhalb seines Stadtgebiets verursacht die Stadt aber zusätzlich 7,6 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr, wie die Forscher ermittelten. Mehr als die Hälfte der vorgelagerten Emissionen entstehen dabei außerhalb Deutschlands, vor allem in Russland und China, sowie in der Europäischen Union.

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CO2-Fußabdruck Berlin

 CO2-Fußabdruck Berlins und Länder, die von dieser „Fernwirkung“ betroffen sind. (Grafik: PIK/ Peter-Paul Pichler)

Die Hauptursache für diese „Fernwirkung“ ist dabei jedoch nicht der Konsum von Produkten: „Es stellt sich heraus, dass dieselben Aktivitäten, die die meisten lokalen Emissionen städtischer Haushalte verursachen – Wohnen und Transport – auch für den Großteil der vorgelagerten Emissionen an anderer Stelle der Versorgungskette verantwortlich sind“, berichtet Pichler.

Chance zum Handeln

Das ist keine schlechte Nachricht, sondern bietet die Chance, mehr gegen den Klimawandel zu tun. „Oft heißt es, dass Bürgermeister wenig gegen den Klimawandel tun können, weil ihr Einfluss auf das Stadtgebiet begrenzt ist, aber tatsächlich kann ihr Handeln weitreichende Wirkung haben“, sagt Pichler. Die Produktion von Zement und Stahl für Gebäude zum Beispiel verbraucht eine große Menge an Energie – typischerweise aus fossilen Brennstoffen. Wenn eine Stadt stattdessen den Einsatz von weniger CO2-intensiven Baustoffen wie etwa Holz fördert, kann der indirekte Ausstoß von Treibhausgasen drastisch reduziert werden.

Im Verkehrssektor können durch den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs lokale Emissionen aus dem Autoverkehr minimiert werden. Dies reduziert aber auch die Anzahl der Autos, die außerhalb der Stadtgrenzen mit großem Energieaufwand gebaut werden müssen. Und die Erhöhung der Dämmstandards für Gebäude verringert den Stromverbrauch für Heizung und Kühlung – und kann damit die Stromerzeugung und damit den Ausstoß von Treibhausgasen in Kraftwerken außerhalb der Stadtgrenzen reduzieren. Entscheiden sich Städte zudem für Strom aus Sonne oder Wind für ihre U-Bahnen und städtischen Gebäude, dann werden Kohlekraftwerke überflüssig.

„Die Macht der Städte – als offene, verdichtete und vernetzte Systeme – den Klimawandel auch in Zeiten unsicherer nationaler und internationaler Klimapolitik anzugehen, wird von vielen lokalen Entscheidungsträgern und einem Großteil der internationalen Gemeinschaft unterschätzt“, sagt Pichlers Kollegin Helga Weisz. „Weltweit müssen Städte ermutigt und befähigt werden, ihr gesamtes Emissionsspektrum – lokale und vorgelagerte Emissionen – zu beobachten. Erst dadurch können die notwendigen und ambitionierten Pläne vieler Städte zur Einhaltung der 2-Grad-Grenze verwirklicht werden.“

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Fachartikel: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-017-15303-x

© natur.de – Nadja Podbregar
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