Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 8,90€/Monat!
Startseite »

Der qualvolle Tod des Zirkus-Elefanten Mädi ist kein Einzelfall

Ein Recherchebericht von Pro Wildlife

Der qualvolle Tod des Zirkus-Elefanten Mädi ist kein Einzelfall
Fotolia_43645195_XS_250.jpg
Fotolia_43645195_© tiero - Fotolia.com
Im Juni sorgte der Tod eines deutschen Zirkuselefanten für weltweite Empörung: Die Asiatische Elefantenkuh Mädi war am 7. Juni in einem See in Estland an Quälerei und Strapazen gestorben. Ihr Besitzer sprang bis zuletzt auf dem ertrinkenden Tier herum. Ein Badegast filmte den Todeskampf. Sein Video ist einzigartig grausam. Aber hilfreich, um diesen Fall lückenlos zu dokumentieren. Von Daniela Freyer

Nur wenige Tage später konnten wir mithilfe von Fotos und Videoaufnahmen beweisen, dass die Schausteller die Behörden getäuscht und Mädi tatsächlich nach Estland transportiert hatten. Der kranke Elefant wurde in der Manege vorgeführt, durch Fußgängerzonen, Beachparties und Kindergeburtstage geschleift.

Elefanten sind hochsoziale Tiere, allein dass Mädi ohne Artgenossen gehalten wurde, ist bereits Tierquälerei. Auch die erforderliche Genehmigung zur “gewerblichen Zurschaustellung” von Elefanten hatten die Zirkusleute nicht. Mithilfe estnischer Tierschützer informierten wir auch die Behörden in Estland und baten, Mädi zu beschlagnahmen. Doch wie so oft hatten die Behörden nichts zu beanstanden.

Gezeichnet vom Leben im Zirkus: Verletzungen, Narben

Auf Videoaufnahmen aus Mädis letzten Lebenswochen konnten wir sehen, dass sie stark abgemagert war. Sie bewegte sich nur langsam und vorsichtig. Offensichtlich tat ihr jeder Schritt weh. Auf der Haut sind zahlreiche Verletzungen und Narben erkennbar – vermutlich Spuren des Elefantenhakens, ein spitzer Eisenhaken, der zur Dressur von Elefanten eingesetzt wird. Ihr langes Leben im Zirkus, die belastenden Transporte und eine Rüssellähmung, die sie beim Fressen und Trinken behinderten, hatten sie erkennbar körperlich geschwächt.

Sie hätte dringend Schonung und stationäre tiermedizinische Behandlung gebraucht. Eine Tournee konnte sie nicht durchhalten. Am 9. Juni erhielten wir die Nachricht, dass Mädi zwei Tage zuvor in einem See in Estland zusammengebrochen und plötzlich gestorben sei.

Anzeige

Gegenüber der estnischen Presse stellte der Schausteller René R. den Tod von Mädi als tragisches Unglück dar. Er sagte, Mädi habe einen Herzinfarkt erlitten.

Doch Tage später tauchte im Internet ein Video auf, das das ganze Ausmaß von Mädis Leiden zeigte. Ein Badegast hatte Mädis Bad im See gefilmt und wurde unfreiwillig Zeuge von ihrem Todeskampf: 47 Minuten lang hielt er mit der Kamera auf den sterbenden Elefanten. Das Video zeigt wie Mädi langsam und qualvoll ertrinkt, während René R. von ihrem Körper aus Badevorführungen macht.

Anfangs plantscht die Elefantenkuh noch im See, genießt offensichtlich die Erfrischung. Sie legt sich immer wieder auf den Bauch und steht mühelos wieder auf. Dann kommt Renè R. ins Wasser, um auf ihren Rücken zu steigen. Erst in diesem Moment legt sich Mädi seitlich nieder. Doch genau das hätte R. verhindern müssen – denn jetzt liegen Mädis Mund und ihr Rüssel unter Wasser, sie bekommt keine Luft mehr. Weil ihr Rüssel seit langem gelähmt ist, kann sie ihn nicht aus dem Wasser heben. Aus der Seitenlage kann ein gebrechlicher Elefant zudem schwer aufstehen, zumal wenn ein Mensch auf ihm herumspringt. Anstatt rechtzeitig Hilfe zu leisten, sprang R. auf Mädi herum, während sie um ihr Leben kämpfte. Erst als Mädi bereits fast bewegungslos im Wasser lag, hielt R. ihren Rüssel über die Wasseroberfläche. Auch dann konnte sie aber keine Luft holen, weil der Rüssel voll Wasser war. Dass R. während des Todeskampfes Hilfe holte, ist auf dem Video nicht zu erkennen.

Laut Expertenaussagen starb Mädi durch Ertrinken in Verbindung mit Kreislaufschwäche. Wir sind sicher: Sie könnte noch leben, wenn ihr Halter sich nicht völlig unverantwortlich verhalten hätte.

In Estland wurde der tote Elefant schnell vergraben. Eine Obduktion wurde nicht angeordnet, das Video wurde zum wichtigsten Beweis. Wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und weiterer Vorgaben haben wir Strafanzeige gegen die beteiligten Zirkusbetreiber gestellt.

Deutschland hinkt beim Schutz von Zirkustieren hinterher

Die Missstände in deutschen Zirkussen sind offensichtlich: Innerhalb von nur 18 Monaten sind acht Elefanten gestorben. Darunter drei Tiere bei der Zirkusfamilie Renz und zwei im Zirkus Krone, der sich seiner Tierhaltung rühmt. Hinter der Glitzerfassade der Zirkusse leiden Wildtiere unter oft katastrophalen Haltungsbedingungen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die Haltung von Wildtieren in Zirkussen alles andere als artgerecht ist: Weil sie einen Großteil ihres Lebens auf engstem Raum verbringen, leiden Wildtiere im Zirkus oft unter Verhaltensstörungen und Krankheiten. In den kleinen Käfigen und Gattern der Zirkusbetriebe können sie sich weder ausreichend bewegen noch zurückziehen. Häufig werden sie schlecht ernährt und die medizinische Versorgung ist mangelhaft. Einzelgänger wie Tiger oder Bären müssen auf engstem Raum mit Artgenossen leben. Tiere mit äußerst komplexem Sozialverhalten wie Elefanten werden alleine gehalten, Affenbabys der Mutter weggenommen, um sie auf die Dressur vorzubereiten.

Seit Jahren fordert ein breites Bündnis von Tier- und Naturschutzorganisationen die Bundesregierung auf, die Haltung von Wildtieren im Zirkus zu verbieten. Zuletzt in einem gemeinsamen Schreiben an Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner anlässlich des Todes von Mädi.

Mädis Schicksal macht klar: Die Zirkusbetreiber wenden Einiges an Energie auf, um Tierschutzbestimmungen zu umgehen – und die Behörden sind überfordert. Um die systematische Tierquälerei in der Manege zu beenden, muss die Bundesregierung die Haltung von Wildtieren in Zirkussen verbieten.

16 europäische Länder haben bereits entsprechende Vorschriften erlassen, die die Wildtierhaltung in Zirkussen beschränken oder verbieten. Die Bundesregierung hinkt hinterher, obwohl sich der Bundesrat zweimal für ein Wildtierverbot in der Manege ausgesprochen hatte.

Foto oben: © tiero – Fotolia.com

Zur Autorin
Daniela Freyer ist Elefantenexpertin bei der Artenschutz-Organisation Pro Wildlife e.V. in München. (Foto unten – privat)

DF_Ele-Afrika-2_570.jpg

© natur.de – natur Gastautor
Anzeige
natur | Aktuelles Heft
Reizvolle Regionen
Aktueller Buchtipp

Anzeige
Serie: Hervorragend – Junge Menschen und ihr Engagement
Wissenschaftslexikon

Milch|stra|ße  〈f. 19; unz.; Astron.〉 1 als mattleuchtendes Band am Himmel erkennbares Sternsystem 2 unsere Galaxis … mehr

phil|har|mo|nisch  〈Adj.; Mus.〉 zu einer Philharmonie gehörend ● ~es Orchester 〈eigtl.〉 die Musik liebendes Orchester (Name mancher Orchester) … mehr

An|fangs|ver|dacht  〈m.; –(e)s; unz.; Rechtsw.〉 auf Indizien basierender anfänglicher Verdacht

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige