Weiße Wale sind eine extrem seltene Spielart der Natur. Bei Säugetieren kommt ein Albino durchschnittlich bei jedem zehntausendsten Tier vor, doch bei Walen und Delfinen ist dieser genetisch bedingte Pigmentmangel offenbar noch seltener. So wurde beispielsweise in den Gewässern der Antarktis, wo die größte Orca-Population der Welt lebt, noch niemals ein weißer Schwertwal gesichtet.
„Iceberg“ ist wieder da
Umso mehr Aufsehen erregte im Jahr 2012 ein völlig weißer Schwertwal, der vor der Küste von Kamtschatka im äußersten Osten Russlands gesichtet wurde. Das ausgewachsene Männchen wurde mehrfach beobachtet und wegen seiner ungewöhnlichen Farbe „Iceberg“ getauft. Dann jedoch verschwand der Orca. Trotz regelmäßiger Beobachtung verschiedener Orca-Gruppen in den pazifischen Gewässern wurde er jahrelang nicht mehr gesehen – bis jetzt.
Vor Kurzem haben Biologen des Far East Russia Orca Project (FEROP) den weißen Schwertwal wieder entdeckt. „Er ist gesund und nach wie vor im Verband seiner 13-köpfigen Familie“, erklärt Erich Hoyt von FEROP. „Wir nehmen an, dass er jetzt mindestens 22 Jahre alt ist – für einen männlichen Orca also in der Mitte des Lebens steht.“
Noch mehr weiße Orcas
Aber dieses Mal ist Iceberg nicht der einzige völlig weiße Orca, den das FEROP-Team sichtete. Die Forscher haben im Laufe ihrer Beobachtungen vor Kamtschatka zwischen fünf und acht verschiedene Albino-Schwertwale entdeckt. Diese Orcas, Männchen, Weibchen und Kälber, gehören verschiedenen Gruppen an – abgesehen von einer weißen Orca-Mutter, die mit einem weißen Kalb unterwegs war.
Die russischen Gewässer beherbergen damit die höchste bekannte Dichte von weißen Schwertwalen weltweit: Statistisch betrachtet ist hier jeder tausendste Orca völlig weiß. Diese erhöhte Rate an Albinismus ist wahrscheinlich mit einer relativ geringen genetischen Vielfalt der Orca-Populationen zu erklären, meinen die Walforscher. Sie führt dazu, dass die Wale dieser Region häufiger die entsprechende Genmutation tragen und weitergeben.
Besonders schützenswert
So faszinierend der Anblick der weißen Wale aber für uns ist – für die Orcas ist er wahrscheinlich eher ein Nachteil. „Es ergibt sich daraus auch eine Verwundbarkeit der Orcas nicht nur gegenüber äußeren Bedrohungen, sondern auch gegenüber der inneren Fracht an Mutationen, die in kleinen Populationen mit erhöhter Inzucht zu einer beträchtlichen Gefahr werden kann“, erklärt Nicolas Entrup, Konsulent der internationalen Meeresschutzorganisation OceanCare.
„Iceberg und seine sehr speziellen weißen Artgenossen sind seltene und außergewöhnliche Botschafter dieser Gewässer, die gesteigerter Schutzbemühungen bedürfen“, betont Entrup. Bisher sind die pazifischen Gewässer vor Kamtschatka die letzte Region weltweit, in der Orcas für Vergnügungsparks gefangen werden. Seit 2012 waren es mindestens 16 Schwertwale.
Um dies zu ändern und zu erreichen, dass dort Schutzgebiete eingerichtet werden, erforschen und beobachten die Biologen des FEROP-Projekts seit dem Jahr 2000 die Schwertwale Kamtschatkas und der Kurilen.
Quelle: Shifting Values