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„Die Fotovoltaik ist günstiger als herkömmlicher Strom“

Kongress Internationaler Umweltpreisträger in Freiburg

„Die Fotovoltaik ist günstiger als herkömmlicher Strom“
Brauerei_Ganter_Solar-Fabrik-AG-Freiburg
Brauerei_Ganter_Solar-Fabrik-AG-Freiburg
Über hundert Umweltpreisträger und Aktivisten tauschen sich auf dem dritten internationalen Umweltkonvent in Freiburg aus. Mit dabei ist Solarpionier Winfried Hoffmann. natur-Autor Horst Hamm traf ihn zum Gespräch über die aktuelle Energiepreisdebatte in Deutschland.

Brauerei_Ganter_Solar-Fabrik-AG-Freiburgnatur: Herr Hoffmann, Sie arbeiten seit 35 Jahren in der Fotovoltaik-Branche. Was sieht Ihr Fazit nach dreieinhalb Jahrzehnten aus?

Winfried Hoffmann: Das lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Je länger ich in diesem Sektor arbeite, desto überzeugter bin ich, dass die 100 Prozent-Lösung für die gesamte Welt eher früher als später kommen wird.

Worauf stützen Sie diese optimistische Einschätzung?

Ich arbeite seit 35 Jahren im Industriebereich an diesem Thema und sehe unsere Möglichkeiten. Aber wenn es das alleine wäre, müssten wir wahrscheinlich noch 100 Jahre warten. Und warum: weil leider die überwiegende Zahl der Menschen schlicht nach dem Geldbeutel entscheidet. Würden wir nur für die Umwelt unsere CO2–Last verringern, stünden uns noch ein langer Weg und viel Überzeugungsarbeit bevor. Nein! Die Fotovoltaik wird sich durchsetzen, weil sie bereits heute kostengünstiger ist.

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Das überrascht mich jetzt, in der öffentlichen Diskussion scheint es doch so, dass die Erneuerbaren den Strom verteuern …

Fakt ist: Ich habe eine Fotovoltaik-Anlage vor 20 Jahren auf meinem Dach installiert. Damals haben 10 Quadratmeter Fotovoltaik – das entspricht der Leistung eines Kilowatts – 15.000 Euro gekostet. Diese Anlage wurde durch das 1000-Dächer-Programm gefördert, das es von 1991 bis 1994 gab. Damals gab es 70 Prozent Förderung – und für das eine Kilowatt musste ich nur 30 Prozent aus meiner Tasche bezahlen, also 4500 Euro. Heute kostet die gleiche Leistung gerade noch 1500 Euro, und das ohne jede Förderung. Das heißt die Anlage ist heute um den Faktor 10 billiger geworden.

Es wird doch trotzdem immer gesagt, dass konventioneller Strom billiger ist!

Unsere französischen Nachbarn haben das tatsächlich bis vor kurzem noch behauptet und gesagt, dass ihr Atomstrom nur 3 bis 3,5 Cent pro Kilowattstunde kostet. Vergessen haben sie, dass das alles abgeschriebene Anlagen sind und nur den Betrieb berechnet. Wir haben jetzt seit wenigen Wochen aktuelle Zahlen aus Großbritannien auf dem Tisch – mit Daten der Franzosen, die dort die Anlagen bauen wollen. Da kommen wir heute auf 11 Euro-Cent pro Kilowattstunde – und das 35 Jahre lang, und jedes Jahr angepasst an die Inflation. Das heißt unsere britischen Kollegen werden 35 Jahre lang dieses Geld bezahlen. Es ist in meinen Augen die dümmste Entscheidung, die eine Volkswirtschaft machen kann, auf dieser Basis ein Atomkraftwerk zu bauen. Aber so sieht der bereits verhandelte Deal aus.

Wie teuer ist denn dagegen Strom aus neuen Fotovoltaik-Anlagen?

Um diese 11 Cent der Atomkraft in Großbritannien einmal in Bezug zur Photovoltaik zu setzen: Eine kleine Anlage kostet 1500 Euro pro Kilowattstunde, bei einer großen sind das 1000 Euro. Damit lassen sich in Deutschland heute Stromgestehungskosten zwischen 9 und 14 Cent darstellen. Und das Wichtige ist: Der Strom wird am Ort des Verbrauchers erzeugt, also dort, wo er auch genutzt wird.

Da sagen die Befürworter von Atom- und Kohlekraft, dass sie die Grundlast decken – und Wind- und Sonnenenergie sehr wechselhaft ist.

Wir brauchen natürlich Grundlast, und die Sonne scheint mal, und mal scheint sie nicht. Aber wir haben heute schon die Technologien zur Verfügung, um zumindest tageweise Überschussstrom speichern können. Nehmen wir meine kleine Anlage: Die produziert im Sommer und am Mittag am meisten Strom. Was ich nicht nutzen kann, lässt sich mit einer normalen Speicherbatterie ein paar Stunden speichern und am Abend verbrauchen. An solchen Batterien arbeitet das Fraunhofer-Institut im Moment sehr intensiv. Dazu sind Fotovoltaik-Anlagen bereits heute mit so vielen technischen Möglichkeiten ausgestattet, dass sie innerhalb des Hauses mit den Stromabnehmern – etwa Waschmaschinen und Geschirrspülern – vernetzt werden können und die Geräte dann anstellen, wenn genug Strom da ist. Das ist eine Art Smart Home und damit ein Smart Grid auf lokaler Ebene und im Kleinen.

Heute sind weltweit bereits Solarkraftwerke mit einer Leistung von 100 Gigawatt peak installiert. Das entspricht – bei Sonnenschein – bereits 100 Atommeilern mit einer Leistung von jeweils 1000 Megawatt. Das wird nach Ihrer Einschätzung also so weiter gehen.

Schauen Sie auf die Stromgestehungskosten der herkömmlichen Kraftwerke. Die entwickeln sich nach oben. Über Atomkraft haben wir bereits gesprochen. Nehmen Sie fossile Kraftwerke. Auch da gehen die Preise nach oben, weil wir derzeit ein weltweites Großexperiment mit dem Klimawandel durchführen und wir es uns nicht leisten können, weiter Kohle zu verbrennen wir bisher. Wir werden das Kohlendioxid abscheiden und im Boden lagern müssen. Ich bin sicher, dass das kommen wird. Eine saubere Kilowattstunde Kohlestrom kostet dann nach heutigen Erkenntnissen mindestens 10 Cent. Mit Fotovoltaik sind wir hier und heute in Deutschland bereits drunter. Und ich sehe in den nächsten zehn Jahren weitere Reduktionsmöglichkeiten. Je länger ich mich damit beschäftige, desto überzeugter bin ich, dass die Erneuerbaren aus ökomischen Gründen die Energieversorgung übernehmen.

Sie glauben, dass unsere Gesellschaft weitgehend auf die Erneuerbaren setzt?

Ganz einfach: Wir haben zum ersten Mal in unserer Industriehistorie die realistische Chance, dass wir in den kommenden Dekaden nicht mehr teurere, sondern billigere Energie zur Verfügung haben werden. Wo hat es schon einmal so etwas gegeben? Wir können unseren Kindern etwas hinterlassen, das keine Probleme macht, sondern einen Wert darstellt – besser geht es doch nicht.

Was heißt das für die Energiewende in Deutschland? Die Solarbranche tut im Moment ja so, als würde Minister Gabriel sie komplett abwürgen …

Herr Gabriel macht im Moment einen elementaren Fehler, indem er Privilegien für die großen Industriebetriebe aufrecht erhält. Als ich vor zehn Jahren der Industrie mitgeholfen habe, dass wir dieses EEG etabliert bekommen, haben wir als Industrie selbstverständlich befürwortet, dass Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, von der EEG-Umlage befreit werden. Das waren damals ungefähr 900 Unternehmen. Vor zwei Jahren hat dann leider im Wesentlichen die FDP durchgesetzt, dass die Ausnahme von 900 auf über 2000 Unternehmen erweitert wird. Das war eine Klientelpolitik, die heute von den privaten Kunden bezahlt wird. Hinzu kommt inzwischen die Differenz zwischen EEG-Umlage und den Kosten für den Börsenstrom. Es ist heute kurioserweise so, dass der Strompreis an der Börse im Schnitt um 25 Prozent gesunken ist – von etwas mehr als 5 Cent pro Kilowattstunde auf ungefähr 4.

Was heißt das konkret in Preisen?

Vor 14 Jahren hatten wir keine EEG-Umlage. Da lag der Strompreis durchschnittlich bei 14 Cent pro Kilowattstunde. 2012 lag die EEG-Umlage bei 4,5 Cent, der Strompreis aber schon bei 29 Cent. Also ist offensichtlich die EEG-Umlage nicht der wesentliche Preistreiber.

Wir haben bisher nur über Fotovoltaik gesprochen. Wie sehen Sie Biomasse-, Wind- und Solarstrom im Verhältnis?

Ich will mal nur über Wind und Sonne sprechen – den beiden wichtigsten Alternativen zur Stromerzeugung. Das Schöne ist: Wind hat auch eine tolle Erfolgsstory hinter sich. Und auch da gibt es noch Entwicklungsmöglichkeiten, die die Kosten nach unten bringen. Gerade Wind und Fotovoltaik bringen eine perfekte Überlappung. Wind liefert den meisten Strom im Herbst, Winter und Frühjahr, Photovoltaik dagegen im Sommer.

Sie haben diese Erkenntnisse gestern im Rahmen des Umweltkonvents in Freiburg vorgestellt. Hier sind über hundert Umweltpreisträger und -aktivisten zusammen gekommen. Was bringt Ihnen diese Treffen für Ihre Arbeit?

Der ist für mich sehr interessant, weil hier Leute mit einem extrem unterschiedlichen Erfahrungshintergrund zusammenkommen. Da erfahre ich Dinge und lerne Menschen kennen, von denen ich bisher nur gelesen habe.

Und heute diskutieren Sie mit Schülern und Studenten …

Das ist eine ganz phantastische Sache. Ich arbeite ja im Bereich Fotovoltaik an einer zukunftsfähigen Energieversorgung. Darüber mit den jungen Leuten zu diskutieren, freut mich von ganzem Herzen, denn diese Schüler und Studenten, mit denen ich heute diskutiere, die sind unsere Zukunft.

Das Gespräch führte Horst Hamm.

Winfried-HoffmannDr. Winfried Hoffmann ist Physiker und arbeitet seit 1979 in der Fotovoltaik-Industrie. Heute repräsentiert er als Aufsichtsratsmitglied die SMA und Solar-Fabrik AG.

Fotos: © Solar-Fabrik AG/Freiburg

© natur.de – Horst Hamm
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