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Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen

Forscher warnen vor Risiken bei der Wiederansiedlung von Tierarten

Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen
Wisent
Wisente werden in einigen Gebieten Europas mittlerweile wiederangesiedelt. (Foto: Doin Oakenhelm / Fotolia)
Ob Przewalski-Pferde in Zentralasien, Wisente in Hessen oder Wölfe im Yellowstone-Nationalpark – die Wiederansiedlung einst verschwundener Wildtiere liegt im Trend. Doch Forscher warnen nun vor solchen Versuchen, die Zeit zurückzudrehen: Sie könnten mehr Schaden anrichten als nutzen.

Im Laufe unserer Geschichte sind viele Wildtiere gerade aus Europa und Nordamerika verschwunden. So waren Wisente beispielsweise noch bis ins Mittelalter hinein ein ganz normaler Anblick in Europas Wäldern und die berühmten wilden Przewalski-Pferde trabten noch vor rund 100 Jahren durch die eurasische Steppe. Inzwischen sind diese Wildtiere im Freiland jedoch weitgehend ausgestorben.

Wisente, Wölfe und sogar Mammuts

Um diesen Verlust rückgängig zu machen, gibt es mehrere Projekte mit dem Ziel, solche im Freiland ausgestorbene Tierarten zu züchten und dann in ihrer alten Heimat wieder auszuwildern. Andere bringen sie aus anderen Gegenden wieder in ihre einstigen Verbreitungsgebiete zurück. So wurden beispielsweise im Frühjahr 2013 die ersten 25 Wisente in einem Wald im Wittgensteiner Land nahe Siegen wiederangesiedelt, auch auf der dänischen Insel Bornholm läuft ein ähnliches Projekt.

Die im Yellowstone-Park in den USA heute umherstreifenden Wölfe sind ebenfalls größtenteils nicht natürlich dort eingewandert, sondern wurden dort gezielt wiederangesiedelt. Und in Sibirien wollen Forscher sogar die Uhr gut zehntausend Jahre zurückdrehen: Dort sollen in einem Pleistozän-Park zukünftig Moschusochsen, Rentiere, Wisente und sogar geklonte Mammuts umherlaufen.

Im Prinzip wie die Einführung einer fremden Art

Doch so publikumswirksam solche Wiederansiedlungen sind – sie bergen ein großes Risiko, wie David Nogués-Bravo von der Universität Kopenhagen und seine Kollegen betonen. Denn in den meisten Fällen werden dabei Raubtiere oder große Pflanzenfresser ausgewildert, die einst an der Spitze oder zumindest weit oben in den lokalen Nahrungsketten standen. Zwar versucht man dabei vorauszusehen, welche Effekte dies auf die Ökosysteme haben könnte, aber meist ist es kaum möglich, die Folgen wirklich im Voraus zu erfassen.

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Weil diese Arten meist schon hundert oder sogar tausende von Jahren aus diesen Gebieten verschwunden sind, gleicht ihre Auswilderung der Einführung einer ganz neuen, fremden Art, wie die Forscher erklären. Und die Geschichte habe bereits in vielen Beispielen gezeigt, welche negativen Folgen das haben könne – angefangen von Kaninchen in Australien, Bibern auf Feuerland oder den Grauen Eichhörnchen in Europa.

Zu wenig Wissen

„Wenn es um die Konsequenzen der Wiederauswilderung geht, tappen wir wissenschaftlich gesehen noch immer weitgehend im Dunkeln“, sagt Nogués-Bravo. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass Wissenschaftler vorhersagen können, welche Folgen die Einführung solcher Arten in dynamische und sich entwickelnde Ökosysteme haben kann.“ Solche Versuche der Wiederauswilderung seien daher riskant und bei dem jetzigen Wissensstand alles andere als empfehlenswert.

Tatsächlich haben solche „Rewilding“-Versuche bereits unvorhergesehene negative Folgen gehabt: In Kalifornien ausgewilderte Tule-Wapiti veränderten die Pflanzenwelt dieser Regionen mehr als erwartet, wie die Forscher berichten. Und auf Bornholm nach zehntausend Jahren der Abwesenheit wiedereingeführte Wisente schleppten parasitische Würmer aus ihrer vorherigen Heimat Polen ein. „In einigen wenigen Fällen gibt es positive Kaskadeneffekte durch solche Großsäuger“, sagt Daniel
Simberloff von der University of Tennessee in Knoxville. „Aber andere Beispiele zeigen nur schwache Vorteile oder sogar unerwartete, aber dramatische negative Folgen.“

Lieber in den Schutz bestehender Arten investieren

Nach Ansicht von Nogués-Bravo und seinen Kollegen sollten sich Natur- und Artenschützer lieber auf die Erhaltung der bestehenden Ökosysteme und Artenvielfalt konzentrieren, statt unter hohem Aufwand und mit großem Risiko zu versuchen, vergangene Zustände wiederherzustellen. Ihrer Meinung nach erreicht man mehr für den Artenschutz, wenn man gegen Entwaldung, Klimawandel, die Vernichtung von Lebensräumen und invasive Arten kämpft.

Hinzu kommt: Die teuren, aber publikumswirksamen Auswilderungs-Projekte binden Gelder, die anderweitig dringender gebraucht würden. „Die finanziellen Ressourcen sind begrenzt, daher bedeutet die Priorisierung eines Ansatzes immer eine Einbuße für anderer Versuche, die Artenvielfalt zu erhalten“, so die Wissenschaftler.

Quelle: Cell Press, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2015.12.044

© natur.de – Nadja Podbregar
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