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Die große Kohle-Renaissance

Entwicklungsländer setzten immer mehr auf Kohle

Die große Kohle-Renaissance
Kohleabbau
Kohleabbau im Tagebau (Foto: darezare/ Fotolia)
Während bei uns erneuerbare Energien langsam an Boden gewinnen, hat anderswo längst eine Renaissance der Kohle begonnen: Nicht nur China und Indien, sondern auch viele andere wirtschaftlich schnell wachsende Entwicklungsländer stillen ihren steigenden Energiehunger durch billige Kohle. Doch das gefährdet den Klimaschutz.

Eigentlich schien alles auf gutem Wege: Bis in die 90er Jahre hinein nahm der Anteil der Kohle an der Energieversorgung global stark ab. Vor allem in den Industrieländern wurde sie zunehmend von Erdöl und Gas ersetzt. Zwar sind auch dies fossile Brennstoffe, aber bei ihrer Verbrennung wird in Relation weniger CO 2 frei. Deshalb sieht auch der Weltklimarat IPCC in dem Ersatz von Kohlekraftwerken durch weniger kohlenstoffintensive Energietechnologien einen der effizientesten Schritte zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen.

Dramatischer Anstieg

Doch in den letzten Jahren hat sich dieser vielversprechende Trend auf alarmierende Weise gewandelt: „Der Kohleverbrauch ist nicht nur parallel zur wachsenden globalen Wirtschaftskraft angestiegen – er hat das Gesamtwachstum der Energieerzeugung längst überholt“, konstatieren Jan Christoph Steckel vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und seine Kollegen. Allein in den letzten zehn Jahren habe sich der Anteil der Kohle an den jährlichen Zunahmen der Treibhausgas-Emissionen mehr als verdoppelt.

Bisher galten vor allem China und Indien als Triebkräfte dieser neuen Kohleschwemme. Doch wie die Forscher nun vorrechnen, sind diese Schwellenländer leider kein Einzelfall. Stattdessen hat der Kohleanteil an der Energieversorgung bei vielen anderen Entwicklungsländern ebenfalls stark zugenommen. „Tatsächlich sind viele Staaten in Asien und Afrika derzeit dabei, stark in neue Kohlekapazitäten zu investieren und der sehr billigen Kohle zu einer nachhaltigen Renaissance zu verhelfen“, sagt Steckel. „Je ärmer ein Land ist, desto ausgeprägter ist dieser Trend.“

Lauter kleine Chinas

Das aber führt dazu, dass diese Länder zu lauter kleinen und großen neuen Treibhausgasschleudern nach chinesischem Vorbild werden. Schon jetzt hat sich der globale Anstieg der CO 2-Emissionen dadurch maßgeblich beschleunigt, wie die Forscher berichten. So haben die schnell wachsenden Entwicklungsländer ihre Kohleemissionen bereits mehr als verdoppelt. Ihr Anteil an den globalen Emissionen ist von 38 Prozent im Jahr 2000 auf 54 Prozent im Jahr 2011 gewachsen.

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Die Hauptursache für die globale Renaissance der Kohle sehen die Forscher im niedrigen Kohlepreis: Weil die Kohle in Relation zu anderen Energiequellen auf dem Weltmarkt deutlich billiger zu bekommen ist, decken die Entwicklungsländer ihren Energiehunger bevorzugt damit. Dabei spielt es inzwischen keine Rolle mehr, ob diese Länder eigene Kohlevorräte besitzen – dank Globalisierung und geringer Preise lohnt sich selbst ein Import der Kohle.

Kohle frisst Einsparungen durch die Erneuerbaren

Diese Entwicklung aber könnte den weltweiten Klimaschutz erheblich gefährden. „Wenn die gegenwärtigen Trends anhalten, wird ein Erreichen ambitionierter Klimaschutzziele extrem schwierig“, warnen die Forscher. Denn China, der weltgrößte Kohleverbraucher, hat zwar angekündigt, seine Kohlendioxid-Emissionen gemessen an der Wirtschaftsleistung bis 2030 um 60 bis 65 Prozent gegenüber 2005 reduzieren. Dadurch soll der CO 2-Ausstoß 2030 seinen Höhepunkte erreichen, danach aber abfallen und der Anteil der nichtfossilen Energie soll bis dahin von 11,2 auf 20 Prozent steigen.

Aber weil vor allem in Asien auch andere Länder die Kohle-Renaissance vorantreiben, wird dies kaum ausreichen. „Chinas Ankündigung ist ein Schritt in die richtige Richtung, Freudensprünge wären aber verfehlt“, sagt Steckel. „Denn bislang hat die internationale Klimapolitik die Staaten zu wenig auf dem Schirm, die – noch – bei den Gesamtemissionen in der zweiten oder dritten Liga spielen.“ Und die Emissionen der Kohlen-Renaissance torpedieren derzeit die CO 2-Einsparungen, die die erneuerbaren Energien leisten.

Zuschuss für Erneuerbare?

Was aber lässt sich tun? Zu Recht verweisen China und andere Schwellen- und Entwicklungsländer darauf, dass Klimaschutz-Vorgaben ihnen nicht die Möglichkeit auf eine für sie erschwingliche Energiequelle und auf ein Wirtschaftswachstum nehmen dürfen. „Die Industriestaaten sollten stärker berücksichtigen, dass viele Entwicklungsländer so sehr auf Kohle setzen, weil sie der Armut entkommen wollen“, sagt Koautor Michael Jakob vom PIK. „Wenn ein Entwicklungsland aus der Kohle aussteigt, sollte es daher Unterstützung bei der Förderung anderer Technologien erhalten.“

Ein Weg dazu könnte auf der unmittelbar bevorstehenden internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba gefunden werden. Denn dort wollen sich die Vereinten Nationen auf einen neuen Ansatz für eine nachhaltige Entwicklungsfinanzierung verständigen. In diesem Rahmen könnten beispielsweise Gelder eingeplant werden, um gezielt den Ausbau erneuerbarer Energien in diesen Ländern fördern.

„Wir brauchen eine schnelle und effektive CO 2-Bepreisung, um den armen und zugleich schnell wachsenden Entwicklungsländern einen alternativen Pfad zur Kohle aufzuzeigen“, meint Jakob. „Die Einnahmen daraus könnten für den Aufbau einer CO 2-freien Infrastruktur verwendet werden – und so zugleich den Armen zu Gute kommen.“

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.1422722112

© natur.de – Nadja Podbregar
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