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Ein Naturschutz-Streifen durch ganz Europa?

Dritter Teil des Interviews zum „Grünen Band“

Ein Naturschutz-Streifen durch ganz Europa?
Der Arendsee in Sachsen
Der Arendsee in Sachsen
In unserem Oktober-Heft (10/2014) lesen Sie, wie sich der Osten Deutschlands nach der Wende verändert hat. Der Naturschutzstreifen „Grünes Band“, der an der ehemaligen Grenze verläuft, soll entlang des „Eisernen Vorhangs“ sogar einmal ganz Europa durchziehen. Unser Reporter Jan Berndorff spricht im Interview mit den Beteiligten von deutscher Seite darüber, wie ein ehemaliges deutsches Schülerprojekt europäisch werden könnte.

natur: Wann wurde die Idee eigentlich auf ganz Europa ausgeweitet?

Frobel: Das war wie gesagt schon in der ursprünglichen Resolution von Hof angelegt. Im Hinterkopf hatten wir das im Prinzip von Anfang an. 2002 bei einer Veranstaltung mit Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow haben wir diese Ausweitung das erste Mal öffentlich vorgeschlagen.

Weiger: Ohne Vorbereitung haben wir damals Gorbatschow gefragt, ob er nicht Schirmherr des Grünen Bandes Europa sein möchte. Nach kurzem Stutzen hat er zugesagt.

Geidezis: Wir haben ihm dann auch einen Anteilsschein am Grünen Band geschenkt, eine symbolische Aktie, die man nach wie vor kaufen kann, um zu spenden. Gorbatschow war der 3000. Aktionär. Er lachte damals, das sei seine erste Aktie und wedelte damit ins Publikum.

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Der geplante European Green Belt

natur: Woran arbeiten Sie zurzeit auf der europäischen Ebene?

Frobel: Das europaweite Projekt steht dem deutschen schätzungsweise 15 Jahre nach. Da gibt es noch viel zu tun. Und es ist natürlich nochmal schwieriger, so etwas international aufzuziehen – mit noch viel mehr Interessen, die an dem Band zerren.

Geidezis: Vor einiger Zeit hat sich die Weltnaturschutzorganisation IUCN aus der Koordination der Europa-Initiative zurückgezogen, vornehmlich aus finanziellen Gründen. Jetzt wollen wir einen Verein gründen, um eine neue, noch bessere Struktur zu schaffen, die das ganze Netzwerk zusammenhält und festigt. Es wäre wünschenswert, wenn in dem geplanten Verein  Regierungsvertreter und Naturschutzorganisationen aus allen 24 Anrainerländern vertreten wären. So hätten wir dann ein offizielles Mandat von den Ländern,  um Projekte und Aktivitäten durchzuführen.

natur: Sind nicht Regierungswechsel manchmal ein Problem?

Weiger: Es gibt da eine Regel: Minister kommen und gehen, Beamte bleiben.

Geidezis: Aber das gilt leider nur für Deutschland. In anderen Ländern, etwa auf dem Balkan, muss man immer wieder präsent sein und von neuem Überzeugungsarbeit leisten.

Frobel: Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt entsprechende internationale Vereinbarungen haben, in Deutschland die Berliner Absichtserklärung „declaration of intent“, im fennoskandischen Raum ein memorandum of understanding: eine internationale Vereinbarung zwischen Norwegen, Finnland und Russland. Ein einzelnes Land kann sich da jetzt nach einem Regierungswechsel nicht so leicht herauswinden.

natur: Herr Frobel, wenn Sie heute zurückschauen, sind sie stolz, dass aus ihrer Idee solch ein großes Projekt entstanden ist?

(Stille)

Weiger: Nu sag halt „ja“! Der Kai Frobel ist so ein bescheidener Mensch…

Frobel: Ich zögere, weil es natürlich das eine ist, so eine Initiative anzustoßen. Aber heute steht und fällt das Ganze ja auch mit unzähligen anderen Mitstreitern, ohne die das Ganze nicht voranginge. Und das Grüne Band Europa steht noch ziemlich am Anfang. Wir dürfen die Gefahren nicht unterschätzen. Zum Beispiel das Abholzen der Primärwälder im Norden. Das findet ganz aktuell in den Kernzonen des Grünen Bandes zwischen Karelien und Finnland statt. Und das ist Holz, das zum Beispiel bei uns im Ikea-Regal landet, Ikea ist der größte Forstflächenbesitzer dieser Region. Und auf dem Balkan haben wir ein Riesenproblem mit 600 geplanten Wasserkraftwerken an Flüssen, die ganz zentral für die Grüne Band-Struktur sind. Also: So schön die allgemeine Vision ist, so akut sind auch heute noch die Bedrohungen. Darum kann ich mich nicht hinsetzen und sagen „Ach wie schön, was wir da geschaffen haben!“ Das geht einfach nicht.

natur: Keinerlei Zufriedenheit?

Frobel: Nein, auch Deutschland ist noch alles andere als unter Dach und Fach. Das denken zwar viele, ist aber nicht so. Wir haben zwar keine weiteren Verluste. Aber das Band ist eben auch noch nicht komplett. Während wir 25 Jahre lang verzweifelt versuchen, 1400 Kilometer Biotopverbund hinzubekommen, werden innerhalb von nur zehn Jahren im Rahmen der Deutschen Wiedervereinigung 14000 Kilometer Bundes- und Staatsstraßen realisiert – und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Dabei wollen wir nur etwas Vorhandenes sichern, das genauso allen zugutekommt, und nicht mal etwas neu bauen. Das ist und bleibt frustrierend.

Weiger: Dennoch muss man schon sagen, dass es Mut macht, wie aus einem kleinen Schülerprojekt solch eine Europa-umgreifende Initiative geworden ist. Das ist ja im Naturschutz schon eine einmalige Sache. Zumal die Initiative in diesem Fall weit über den Naturschutz hinausweist: Das Grüne Band ist ein Symbol für Frieden und Völkerverständigung.

Den ersten Teil des interviews können Sie hier nachlesen. Darin sprechen Weiger und Frobel über die Anfänge des Grünen Bands, die letztlich bis in die 1970er Jahre zurückgehen.

Im zweiten Teil erfahren Sie, welche Probleme nach der Wiedervereinigung auftauchten, als nicht nur Naturschützer, sondern auch Landwirte und Straßenbauer an den Flächen interessiert waren.

Im Oktober-Heft (natur 10/2014) ziehen wir außerdem die „Ökobilanz der Wende“. Dazu gibt es Michael Succow im persönlichen Interview, Vize-Umweltminister der DDR im Jahr 1990 und Träger des „Alternativen Nobelpreises“.

 

Hubert Weiger  

 

 

Hubert Weiger war von Anfang an beim Projekt „Grünes Band“ dabei. Heute ist er unter anderem Professor für Forstwirtschaft.

 

 

 

 

 

 

Kai Frobel  

 

 

Kai Frobel inmitten des Projekts, das er einst mit initiierte.

 

 

 

 

 

 

 

Liana Geidezis  

 

 

Liana Geidezis ist heute beim BUND als Projektleiterin für das „Grüne Band“ zuständig.

 

 

 

 

 

 

Weitere Infos zum grünen Band in Deutschland, in Europa und zusammengefasst vom Bundesamt für Naturschutz.

Fotos: Daniela Leitzbach (Titelbild), BUND

© natur.de – Jan Berndorff
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