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Elektrosmog raubt Rotkehlchen die Orientierung

Umwelteinflüsse

Elektrosmog raubt Rotkehlchen die Orientierung
Rotkehlchen_Henrik-Mouritsen
Rotkehlchen_Henrik-Mouritsen
Ob Elektrosmog tatsächlich Einfluss auf den Menschen hat, ist stark umstritten. Bislang fehlt dafür ein eindeutiger Nachweis. Für die Tierwelt ist er nun erbracht: Elektrosmog blockiert den Magnetsinn von Rotkehlchen. Für die Zugvögel ist das fatal.

Die Vögel sind darin gegenüber der Sonne und anderen visuellen Landmarken abgeschirmt, so dass sie sich nur auf ihren Magnetkompass verlassen können. Typischerweise hindert dies die Zugvögel nicht daran, zur Zugzeit immer wieder in die Käfigecke zu gehen oder zu fliegen, in der ihre normale Zugrichtung liegt. „Wir waren daher überrascht, als wir bei unseren Versuchen feststellten, dass Rotkehlchen in Holzhütten auf dem Campus der Universität Oldenburg nicht ihren Magnetkompass nutzen konnten“, erklärt Mouritsen. Die Vögel waren offensichtlich orientierungslos, obwohl es für sie eigentlich ein leichtes sein müsste, die richtige Richtung anzupeilen.

Abgeschirmt wieder auf Peilung

Um herauszufinden, was den Magnetkompass der Rotkehlchen störte, wandelten die Forscher ihr Experiment nun ab: Statt der Holzhütten bauten sie Orientierungskäfige mit geerdeten Aluminiumplatten. Diese Abschirmung lässt das für die Navigation der Vögel entscheidende statische Magnetfeld der Erde unberührt, dämpft aber den Elektrosmog. In den Hütten sank dadurch das elektromagnetische Rauschen im Bereich von 50 Kilohertz bis 20 Megahertz um etwa der Hundertfache.

Die Wirkung war verblüffend: Die Vögel hatten nun plötzlich keine Probleme mehr, sich zu orientierten, und fanden ihre Zugrichtung, wie die Forscher berichten. „Per Zufall hatten wir ein biologisches System entdeckt, das empfindlich auf vom Menschen verursachten Elektrosmog im Frequenzbereich bis zu fünf Megahertz reagiert“, sagt Mouritsen. Überraschend dabei: Die Intensität der Störungen lag weit unter den Grenzwerten der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) und der WHO.

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Um diesen Effekt sicher zu beweisen, führten die Forscher sieben Jahre lang weitere Experimente durch. Mehrere Generationen von Studierenden wiederholten auf dem Oldenburger Campus unabhängig voneinander die Versuche, sowohl mit geerdeten Hütten als auch mit Pseudoabschirmungen. Dabei wussten die auswertenden Beobachter jeweils nicht, um welche Variante es sich handelte. Auch die Wirkung von künstlich in die isolierten Hütten eingestrahltem Elektrosmog testeten die Forscher. Aber immer wieder zeigte sich: Sobald die Abschirmung wegfiel oder das elektromagnetische Breitbandrauschen absichtlich innerhalb der Hütten erzeugt wurde, versagte die magnetische Orientierung der Vögel.

Orientierungslos in Städten

„Wir haben damit einen eindeutigen und reproduzierbaren Effekt menschengemachter elektromagnetischer Felder auf ein Wirbeltier dokumentiert“, sagt Mouritsen. „Die Auswirkungen der schwachen elektromagnetischen Felder sind bemerkenswert: Sie stören die Funktion eines gesamten sensorischen Systems bei einem gesunden höheren Wirbeltier.“

Das am stärksten störende elektromagnetische Rauschen liegt dabei im Frequenzbereich zwei Kilohertz bis fünf Megahertz und deckt damit einen viel breiteren Frequenzbereich in einer weit geringeren Intensität ab, als frühere Untersuchungen vermuten ließen. Diese Strahlung stammt nicht von Stromleitungen oder Mobilfunknetzen, sondern vor allem von Elektrogeräten, wie die Forscher betonen. Sie ist daher in unseren Städten und Ballungsräumen am stärksten.

Tatsächlich belegte ein weiterer Versuch, dass der Magnetkompass der Vögel auf dem Land noch gut funktioniert: Stellten die Forscher ihre Orientierungskäfige ein bis zwei Kilometer vor den Toren der Stadt Oldenburg auf, richteten sich die Rotkehlchen wie gewohnt korrekt aus – auch ohne Abschirmung. Messungen zeigten, dass in dieser ländlichen Umgebung die Intensität des elektromagnetischen Rauschens um fast das Hundertfache unter der der Stadt lag.

„Die Auswirkungen des Elektrosmogs auf den Vogelzug sind somit lokal begrenzt“, sagt Mouritsen. „Dennoch sollten uns diese Ergebnisse zu denken geben – sowohl was die Überlebenschancen der Zugvögel als auch was mögliche Effekte für den Menschen angeht, die es noch zu untersuchen gilt.“

Nadja Podbregar

Quelle: Henrik Mouritsen (Universität Oldenburg) et al., Nature 2014, doi: 10.1038/nature13290

Foto: Henrik Mouritsen

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