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„Es wird schon alles gut werden, oder?“

Interview mit einem Einsiedler

„Es wird schon alles gut werden, oder?“
Tag, Herr Käfer, heute schon demonstriert? Nein, wir selber demonstrieren nicht. Das machen die Menschen für uns. Wir sitzen lieber gemütlich in unseren feuchten Baumhöhlen und mümmeln verfaultes Holz. Aha, daher Ihr Beiname „Eremit“.

Aha, daher Ihr Beiname „Eremit“.

Genau! Manche von uns verlassen ihr ganzes Leben lang nicht ihre Höhle. Wir sind heimattreu und reinlich und halten die Kehrwoche ein. Nur ab und zu, an schönen Tagen, fliegen wir ein bisschen rum. Oder wir setzen uns an den Rand der Höhle und versuchen, mit unserem Duft ein Weibchen anzulocken.

Vermutlich sieht man Sie deswegen so selten. Wo kommen Sie überhaupt plötzlich her?

Wir waren immer schon da. Nicht nur hier im Schlossgarten, sondern an vielen Orten. Aber wir waren eben nie sehr viele. Und in den letzten Jahrzehnten wurde unser Lebensraum zunehmend zerstört. Wir brauchen so alte gemütliche Bäume, die innen drin schon ein bisschen modern. Leider gibt’s die ohnehin schon nicht mehr sehr häufig. Und die wenigen, die es gibt, werden Zug um Zug gefällt. Wie sang diese nette Gruppe „Gänsehaut“ in den 80ern: „Karl der Käfer wurde nicht gefragt, man hat ihn einfach fortgejagt.“

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Oh je, reden wir lieber über Sie. Die meisten Leute kannten Sie bis vor ein paar Jahren gar nicht.

Ja, Ihr hättet uns beinahe ausgerottet, ohne es zu merken! Uns kannten nur ein paar Spezialisten .

Bis die EU-Kommission Sie 1992 in die FFH-Richtlinie aufgenommen hat – als prioritäre Art, „für deren Erhaltung der Gemeinschaft besondere Verantwortung zukommt“.

Prio was? Keine Ahnung – jedenfalls ist es jetzt amtlich: Wir sind selten! Das hat uns einen unglaublichen Aufschwung gebracht. Wir mischen jetzt bei vielen Projekten mit, wo es um ökologisch wertvolle Gebiete geht.

Genauer gesagt, Sie blockieren ein Bauvorhaben nach dem anderen.

Ist doch prima, ohne uns geht nix mehr! In Frankreich konnten wir gleich mehrere Autobahnprojekte ordentlich hinauszögern – und in Braunschweig müssen sogar beim Bau des Flughafens wegen zwei unserer Larven gefällte Bäume liegen bleiben.

Und hier im Schlossgarten wurde das Fällen der alten Bäume untersagt, solange es kein Konzept für den Umgang mit Ihnen gibt.

Recht so! Ein Park wie dieser hier ist für uns ganz wichtig. Wir sind eben nicht so die großen Flieger. Wir brauchen zumindest ein paar Bäume, die für uns geeignet sind und die nahe beieinander stehen.

Machen Sie sich denn nun Sorgen wegen des Projekts Stuttgart 21? Sind Sie grundsätzlich dafür oder dagegen? Immerhin sollen ja ziemlich viele der Bäume im Schlossgarten gefällt werden.

Najaa . Wenn man das Projekt als Ganzes so anschaut – diese vielen Tunnels, die da gebaut werden sollen, sind uns natürlich erst mal sympathisch. Wir leben ja selber in Höhlen, also .

Also eher dafür?

Najaa … Andererseits, wenn man so drüber nachdenkt, klingt es doch ein bisschen ungemütlich. Wir sausen schließlich nicht mit so einer Geschwindigkeit durch unsere Höhlen wie diese Züge, also …

Also doch eher dagegen?

Najaa . Andererseits, diese Politiker, die sagen ja immer, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen. Also wird schon alles gut werden. Was so ein Politiker sagt, das stimmt doch, oder?

Natürlich.

GESPRÄCH: MARTIN RASPER

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