Um es kurz zu machen: Nach Ansicht dieses ersten globalen Expertenteams ist es möglich, eine Klimakatastrophe zu vermeiden. Doch es wird kosten. Viel Geld für technische Neuerungen und viel Anstrengung. Die politischen Verhandlungen über Klimaziele müssen anders ablaufen als jetzt. „Das Ziel zu erreichen, wird hart sein – die Veränderungen, die geschehen müssen sind enorm“, so Jeffrey Sachs, Direktor des Sustainable Developement Solutions Network SDSN an der Colombia University, das für die UN federführend beim Teffen der Wissenschaftler dabei war. „Aber es ist machbar und unbedingt notwendig, um die Erde zu bewahren.“
Weniger Kohle, mehr Energieeffizienz
Für jedes der beteiligten Länder haben die Wissenschaftler einen genauen Pfad erstellt, wo die größten Probleme liegen und wo man – jetzt sofort – ansetzten könnte. Sie haben eine Blaupause entworfen, wie die jeweilige nationale Zukunft aussehen könnte. Und sie verlassen sich dabei nicht auf mögliche Erfindungen oder Energiequellen, die heute noch nicht realistisch sind.
Dabei haben sich insbesondere drei Säulen herauskristallisiert. Zum ersten muss überall die Energieeffizienz drastisch erhöht werden. Überall da wo Energie verbraucht wird, von der Industrie bis hin zum Eigenheim. Zum Zweiten spielt die weitere Förderung neuer und CO2-armer Energiequellen eine wichtige Rolle. Dazu gehören auch ein sinnvoller Umgang mit Atomenergie und die weitere Forschung an Methoden der Kohlenstoffdioxidabspaltung oder –speicherung. Als dritter großer Punkt sollten dann fossile Energieträger wie Öl und Kohle als Kraftstoff und Heizmaterial vollständig ersetzt werden. Wie genau diese Ziele erreicht werden, dazu gibt es für jedes Land verschiedene Option.
Das klimaideale Amerika beispielsweise hätte im Jahr 2050 eine Wirtschaft, die zur Hälfte auf elektrischer Energie basiert. Die Kohle als Energieträger wird fast verschwunden sein, dafür kommt über die Hälfte der gesamten Energie aus Atomreaktoren.
Auch das chinesische Team schrumpft in seinem Entwurf den Kohlebedarf, allerdings um weit geringere Mengen als die USA, nämlich auf 3,4 Tonnen CO2-Emmission pro Person. Um das zwei Grad-Ziel noch zu erreichen, dürfte jeder Mensch pro Jahr im Durchschnitt nur auf 1,6 Tonnen kommen. Trotzdem ist den chinesischen Wissenschaftlern nicht vorzuwerfen: die halbe Welt hat ihre Industrie in das Reich der Mitte ausgelagert. Diese Schwerindustrie von Kohle und ÖL wegzubringen, ist schwierig. Wahrscheinlicher ist langfristig ein kompletter Umbau der Industriestruktur.
In Frankreich setzt das Team vor allem beim Transport an, der größte Emmissionsfaktor. Mit technische Weiterentwicklung und verbesserter Infrastruktur und Planung sieht die Expertenrunde hier großes Potenzial. Die Industrie dagegen werde durch steigende Energieeffizienz fast automatisch stetig weniger fossile Energien verbrauchen. Auch hier ein wichtiger Teil des Energiemix: Atomstrom.
In Deutschland, dem Land der Energiewende und des Atomausstiegs wird der Plan ganz anders aussehen. Schließlich beachten die Teams nicht nur die technischen Möglichkeiten, sondern auch soziale Befindlichkeiten und lokale Besonderheiten. Doch der deutsche Teil des Berichts wird erst in den kommenden Wochen nachträglich veröffentlicht. Der finale Report soll im nächsten Frühjahr der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dann wird er auch ausführlichere Angaben zu den Kosten der Maßnahmen enthalten, die bisher größtenteils ausgelassen wurden. Aus Absicht, wie es heißt, um den Entscheidungsträgern die Möglichkeit zu geben, verschiedene Optionen in Betracht zu ziehen, ohne gleich mit dem Totschlagargument „zu teuer“ ausgebremst zu werden.
Realistische Diskussionsbasis
Die Pläne des Deep Decarbonization Pathways Projects sind plausibel und individuell. Sie erreichen in der Summe nicht ganz die Idealmenge von 1, 6 Tonnen pro Person, sondern nur 2,3 Tonnen. Doch sie bilden eine solide Basis für eine enorme Reduktion und gibt vor allem Ideen und Anstöße – über die dann diskutiert werden kann. Diese möglichen Wege und die Debatte über deren Ergebnisse und Annahmen sind essentiell für die die Lösung des Problems“, sagte Emmanuel Guerin, stellvertretender Direktor der SDSN und Projektmanager des DDPP. Solche konkreten Vorschläge seien notwendig, um es den einzelnen Ländern zu ermöglichen, sich langfristige Lösungen überhaupt einmal vorzustellen und ihre Erwartungen anzupassen. Was heißen „2 Grad weniger“ für das einzelne Land? Worüber reden Politiker, wenn sie Klimaschutzmaßnahmen beschließen?
2015 ist die nächste UN-Klimakonferenz in Paris. Dort muss mehr passieren, als bei den vorangegangenen Treffen. Doch zum ersten Mal haben die Teilnehmer Szenarien, auf die sie sich stützen können. Sie werden wissen, wovon sie sprechen. Und, dass sie zusammenarbeiten müssen. Denn keiner der Landesfahrpläne funktioniert für sich allein.
Pathways to deep carbonization. Interim Report 2014:
http://unsdsn.org/wp-content/uploads/2014/07/DDPP_interim_2014_report.pdf
Quelle: Deep Decarbonization Pathways Project (DDPP) Presents Interim Report to UN Secretary-General Ban Ki-Moon (Press Release)
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