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Fahrzeug aus Hanf

Das Fortbewegungsmittel der Zukunft

Fahrzeug aus Hanf
Im Heft 9/14 berichten wir über den Schüleraustausch am Bad Iburger Gymnasium, bei dem Jugendliche aus der Türkei und Deutschland nachhaltige Projekte in der Türkei kennen lernten. Beim Gegenbesuch in Deutschland entdeckten sie in einem Osnabrücker Unternehmen eine neue Art der Mobilität.

Mit Sitz im neugebauten InnovationsCentrum Osnabrück (ICO), ein wissenschaftsorientierter Standort für aufstrebende Unternehmen direkt gegenüber der Hochschule, entwickelt Onyx ultraleichte Bauteile im Vergleich zu konventioneller Kohlefaser mit nur einem Dreißigstel des bei der Produktion ausgestoßenen CO2.
Gesetzt wird auf Nutzhanf, der ohne psychoaktive Substanzen gezüchtet und in Deutschland angebaut werden darf; und dessen Fasern mit Harz verklebt und gebacken widerstandsfähige Bauteile ergeben.

Hanf aus eigenem Anbau

Es ist Pause, die Schüler können kaum glauben, dass das im Tagungsraum aufgestellte Hanfrad tatsächlich nur wenige Kilogramm wiegt, weniger als ein Viertel eines normalen Fahrrades. Sie stehen Schlange, um es einmal hochzuheben und sich selbst davon zu überzeugen. “In zwei Wochen wollen meine 15 Mitarbeiter und ich anfangen” – hier wieder besagte Blickwechsel unter den Jugendlichen – “unseren eigenen Hanf draußen auf dem Feld anzubauen.”, erklärt Meyer weiter. Aber das Konzept überzeugt; 2009 gewannen die Ingenieure den “Durchstarter-Preis” für junge Unternehmer, und konnten damit ihre weiteren Projekte finanzieren. Auch Politiker hätten bereits angefragt,ob dieses Fahrrad zu erwerben sei, dennoch sei es unverkäuflich und es bleibe bei dem Prototyp: Die Firma sehe größeres Potential in etwas Anderem.

Mit den Erkenntnissen aus dem ultraleichten Fahrradbau investiert der Unternehmer in eine eigene Idee, ein Bindeglied zwischen Fahrrad und Auto. “Ein Name fehlt bisher, für Vorschläge sind wir offen.” Prophetisch sagt er die Zukunft voraus; in 15 Jahren werden 6 Milliarden Menschen in Städten leben und der Verkehr wird immer langsamer, “es werden nur noch alle im Stau stehen.” Schockgesichter. Doch mit dem neuesten Projekt erhofft sich Meyer, eine Marktlücke gefunden zu haben und stopfen zu können. Onyx strebt einen Mittelweg zwischen dem Fahrrad- und Autofahren an; ein Hybridmodell mit Elektromotor, das als Fahrradersatz wesentlich bequemer schon bald den Pendlerverkehr der Städte umweltfreundlicher und zeitsparender gestalten könnte.

Erneuerbar quer durch Australien

Schon in der Vergangenheit hat das kleine Unternehmen mit einigen Weltrekordprojekten auf sich aufmerksam gemacht, und damit den Weg für diesen jetzt geplanten nächsten Schritt geebnet. Aus Kohlefaser bestehend, mit drei Metern Länge, aber nur daumendick war beispielsweise der “dünnste Tisch der Welt” eines der ersten Leichtbauprojekte des Unternehmens. Matt-schwarz schimmernd steht er nun dekorativ im Konferenzraum und immer für gelegentliche Proben seiner Belastbarkeit zur Verfügung, was er in der anschließenden Führung durch den Betrieb unter den Füßen mehrerer Schüler (und einiger Lehrer) glamourös unter Beweis stellt.

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Ein weiteres Projekt, der Wegbereiter der Orientierung der Firma in Richtung Elektromobilität, war der sogenannte “Wind Explorer”. Mit dem frühen Prototyp des ultraleichten Elektromobils brachen die beiden deutschen Extremsportler Dirk Gion und Stefan Simmerer auf zu einer 5.000 km langen Etappe von der australischen West- bis an die Ostküste. Wie ein riesiger Auspuff sieht das mobile Windrad aus, dessen überlanges Ende aus dem Gefährt herausragt. Die beiden Männer mussten es über Nacht ausklappen und aufbauen, um den Strom für die nächsten 24 Stunden zu gewinnen. Geschlafen wurde in Zelten, welche am darauffolgenden Morgen mit der Windkraftanlage zurück in das Heck des Autos geschoben wurden. Nach zweieinhalb Wochen hatten sie den Eintrag ins Guinness-Buch der Weltrekorde sicher: Für das erste allein von erneuerbaren Energien angetriebene Auto, das jemals den australischen Kontinent durchquerte.

“Burn fat, not fuel”

Anschaulicher als jede Statistik zeigt diese Tatsache, wie viel billiger umweltschonendes Fahren sein kann. Denn die 5000 km, die einen normalen Autofahrer allein an Sprit 500 Euro kosten würden, sind hier ganz billig: Es kostet nichts. Und durch die Ultraleichtbauweise des aus Hanf, Kohlefaser und Aluminium zusammengeklebten Fahrzeugs sei es ebenso bequem möglich gewesen, sich ein gutes Stück des Weges von einem Kite-Drachen über die Straße ziehen zu lassen. “Ab hier wollte der TÜV aber nicht mehr zuhören”, schmunzelt Meyer. Jetzt will er sein weiterentwickeltes E-Mobil – allerdings ohne Windkraftanlage und Kite-Drachen – auf den Markt bringen. Wie er den grinsenden Schülern erklärt, könne man dieses bereits ab 16 Jahren wie ein normales Auto mit 45 Stundenkilometern als Mofa zugelassen auf der Straße fahren.

Schon dieser pedalbedingte, versicherungstechnisch günstige Umstand koste nicht allein nur die Hälfte einer normalen Autoversicherung; selbst der Strom für eine Akkuladung, welche im Falle des Fahrrad-Auto-Modells für 50 km reicht, koste nur zwei Euro. Das ist ein Sechstel des Preises des sonst verbrauchten Benzins. “Aber die Akkus halten doch kaum, was tut man, wenn einem mit dem Auto mal der Saft ausgeht?”, hört man da aus der letzten Reihe rufen. Auch darauf hat Meyer eine Antwort, denn selbsverständlich hat Onyx Composites das Problem, wie man denn das liegengebliebene Auto von der Straße kriegt, sehr innovativ und technisch raffiniert gelöst. Durch autonome Muskelkraft könne man die Notfortbewegung des defekten Fahrzeugs gewährleisten, frei nach dem Motto “Burn fat, not fuel”: Man tritt in die Pedale.

Modell E-Mobil

Nicolas Meyer präsentiert das Onyx E-Mobil – eine Kreuzung aus Fahrrad und Auto  

Eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020?

Aber auch das andere große Problem der Elektromobilität, der hohe Preis und die geringe Verfügbarkeit von geeigneten Stromtanksäulen geht Onyx an. Durch die zündende “Akku-To-Go”-Idee solle der Akku, anders als bei anderen Elektroautos, aus dem Fahrzeug und wie ein zwanzig Kilo schwerer Trolley mit zur Arbeit oder nach Hause genommen und in eineinhalb Stunden einfach an der Steckdose bereits wieder fahrbar aufgeladen werden können. “Wir sehen unser Hybridmodell als Zwischenglied zu leichteren Akkus”, demonstriert der Unternehmer, während er ein Anschauungsmodell des pechschwarzen, tatsächlich Aktenkoffer-großen Akkus hochhievt. “Solange es die noch nicht gibt, erreichen wir nur mit dieser Leichtbauweise, dass die Fahrzeuge effizienter und umweltfreundlicher werden.” Bereits 2016 strebt er eine kleine Serienproduktion mit einem Stückpreis von unter 9000 Euro an, “damit wir die 984.000 noch fehlenden E-Mobile auch erreichen und die Kanzlerin zufrieden ist.” Deutschland will bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf seinen Straßen haben. Ein hoch gestecktes Ziel, denn heute, nur sechs Jahre vor Ablauf der Frist sind es erst ca. 16.000.

Nach seinem Vortrag erntet Meyer Applaus, interessiert folgen die Jugendlichen einer kleinen Führung durch den Betrieb, der neben der geplanten Entwicklung des vielversprechenden E-Autos auch andere Leichtbauteile für weitere Kunden herstellt. Abschließend dürfen drei ausgeloste Schüler mit ihm im ersten Prototyp des “Fliegengewichts” unter den neidischen Blicken der anderen eine Runde mitfahren. Und öko muss nicht langsam sein; zwar nur für 45 km/h zugelassen, kann das Elektromobil auch das Doppelte fahren. “Wir setzen auf den ‘Voll-Geil-Effekt’ bei unseren Kunden. Jeder soll für sich selbst entscheiden, ob es ihm wichtig ist, auf ein wenig Komfort im Auto zu verzichten, denn eine Sitzheizung gibt es nicht.” Dennoch, auch die Schüler bestätigen die Einmaligkeit des Fahrerlebnisses.

Nur ein Nachteil

Einen Nachteil hat das noch so umweltfreundliche Modell mit seinen 120 Kilo allerdings, weswegen es Onyx anscheinend für wichtig erachtet, als zusätzliche Diebstahlsicherung einen in die Karosserie an geheimer Stelle eingebauten GPS-Suchsender einzuplanen: “Man muss es wie ein normales Fahrrad an einer Laterne anschließen. Dafür, dass man es nicht mit vier Leuten wegtragen kann, ist es einfach nicht schwer genug!”

Nils Jäger

Fotos: Leonie Burke

© natur.de – natur Gastautor
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