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Geckos im Ausverkauf

Europäischer Haustier-Handel gefährdet Überleben seltener Reptilien-Arten

Geckos im Ausverkauf
Gecko
Die gehörnte Agame (Ceratophora stoddartii) ist selten, wird aber dennoch in der EU verkauft. (Foto: Ruchira Somaweera)
Ob Gecko, Schildkröte oder Schlange: Reptilien sind beliebte Haustiere, der Handel mit ihnen boomt. Doch gerade die Lust der Europäer an den Exoten gefährdet das Überleben seltener Arten in der ganzen Welt, warnen nun Forscher. Denn in unseren Terrarien landen oft auch Vertreter bedrohter Arten.

Zwischen 2004 und 2014 hat die EU offiziell fast 21 Millionen lebende Reptilien importiert, mehr als sechs Millionen davon sind auf dem deutschen Markt gelandet. Darunter sind auch viele Vertreter bedrohter Arten, mit denen sich extrem hohe Gewinne erzielen lassen. Ein internationales Experten-Team um Mark Auliya vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig hat nun Ausmaß und Folgen solcher Geschäfte dokumentiert.

Für ihre Studie haben 37 Wissenschaftler, Naturschützer und Zollbeamte aus 22 Ländern zahlreiche Beispiele von Arten zusammengetragen, für die der Haustier-Markt zu einem ernsthaften Problem geworden ist. Eigentlich soll das Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES einen solchen Ausverkauf der Natur verhindern. Dieses Abkommen, das inzwischen 182 Staaten einschließlich der EU unterzeichnet haben, reguliert den internationalen Handel mit bedrohten Tieren und Pflanzen.

Nicht vom Artenschutzabkommen erfasst

„Mehr als 90 Prozent der Reptilienarten werden von CITES allerdings gar nicht erfasst“, kritisiert Auliya. Weltweit haben Biologen bisher mehr als 10.000 Vertreter dieser Tiergruppe beschrieben. Gerade einmal 793 davon fallen derzeit unter die Handelsbeschränkungen. Viele andere bedrohte Reptilien, die auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN stehen, haben es bisher dagegen nicht auf die CITES-Anhänge geschafft.

Die Orlov-Viper (Vipera orlovi) zum Beispiel gilt als vom Aussterben bedroht, nicht einmal 250 erwachsene Tiere kriechen noch durch eine kleine Region im Kaukasus. Trotzdem ist der internationale Handel mit diesen Schlangen nicht reguliert. Genauso wenig wie der mit verschiedenen seltenen Geckos aus Madagaskar und Neukaledonien.

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Falsch deklariert oder geschmuggelt

Aber auch wenn eine Art unter dem Schutz des Abkommens steht, ist sie damit nicht unbedingt in Sicherheit. Immerhin gilt der illegale Handel mit Wildtieren mittlerweile als ähnlich lukratives Verbrechen wie Drogen-, Waffen- und Menschenhandel. Durch gefälschte Papiere wird dann schnell eine CITES-Art zu einem ungeschützten Verwandten gemacht oder ein Wildfang zu einer legalen Nachzucht aus Gefangenschaft. Mit diesem Trick gelangen zum Beispiel viele Warane aus Indonesien oder Chamäleons aus Madagaskar auf den Markt.

Immer wieder gibt es auch Fälle, in denen sich Schmuggler gar nicht erst mit Papierkram aufhalten, sondern die geschützten Arten heimlich über die Grenzen schaffen. „Dieser Schmuggel ist teilweise kartellartig organisiert“, erklärt Auliya. Der Einfallsreichtum ist dabei erstaunlich. Im September 2007 wurde ein US-Amerikaner verhaftet, der drei Fidschi-Leguane der Art Brachylophus bulabula in einer Beinprothese versteckt hatte. „Dieser Schmuggel ist teilweise kartellartig organisiert“, erklärt Auliya.

Raritäten im Visier

Gefragt – und deshalb besonders gefährdet sind dabei vor allem Raritäten. Neben geschützten Arten geraten oft wissenschaftliche Neuentdeckungen und sogenannte Endemiten, die weltweit nur in einem sehr kleinen Verbreitungsgebiet vorkommen, ins Visier. Ein Beispiel ist der erst seit 2010 bekannte Gecko Cnemaspis psychedelica. Dieses Reptil ist auffallend bunt und kommt nur auf der acht Quadratkilometer großen Insel Hon Khoai in Vietnam vor. Nichtsdestotrotz wird dieser Gecko seit 2013 in Europa regelmäßig zum Verkauf angeboten – für 2.500 bis 3.000 Euro pro Paar. Doch gerade für solche Arten mit kleinen Beständen und eng begrenzten Verbreitungsgebieten kann der Reptilienschmuggel der Studie zufolge dramatische Folgen haben.

Ein weiteres Problem: Schildkröten und große Echsen vermehren sich meist nur langsam, daher könne ihre Populationen Verluste durch Tierfänger schlecht kompensieren. So stehen die madegassischen Schnabelbrust-Schildkröten (Astrochelys yniphora) kurz vor dem Aussterben, es gibt nur noch 250 Exemplare. Trotz weltweiten Handelsverbots und strengem Schutz wurden 2013 am Flughafen in Bangkok 54 Madagassische Schnabelbrust-Schildkröten beschlagnahmt. Die Nachfrage von Reptilien-Fans aus Asien, Europa und den USA droht die Schutzbemühungen zunichte zu machen.

„Die EU muss mehr tun“

Was also tun, um den Ausverkauf der Reptilien zu verhindern? Mark Auliya plädiert zum einen für striktere Auflagen, die alle CITES-Mitgliedsstaaten zu einem besseren Schutz ihrer eigenen Vorkommen verpflichten. „Zum anderen müssen aber auch wichtige Importeure wie die EU Verantwortung übernehmen“, betont der Experte.

Handlungsbedarf sieht er zum Beispiel bei Arten wie dem sehr begehrten Borneo-Taubwaran (Lanthanotus borneensis). In ihrer Heimat ist die Art zwar geschützt, sie steht bisher aber nicht auf den CITES-Anhängen. Schmuggler müssen solche Tiere daher nur aus Borneo herausschaffen, dann können sie diese ganz offen auf dem europäischen Markt anbieten. Abhilfe schaffen könnte ein Beschluss der EU, den Handel auch mit den Arten zu verbieten, die in ihrer Heimat unter Schutz stehen, wie es in den USA bereits der Fall ist. „Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung“, so Auliya.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Fachartikel: Biological Conservation, doi: 10.1016/j.biocon.2016.05.017

© natur.de – Nadja Podbregar
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