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„Gentechnik ist nur ein Werkzeug“

Der grüne Blick auf die Piratenpartei

“Gentechnik ist nur ein Werkzeug”
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Bernd Schreiner - Pirat aus Thüringen
Zu Umweltfragen hat man von den Piraten bislang wenig gehört. Wir wollten deshalb von den Politaufsteigern wissen, wie sie zu den zentralen Themen wie Energiewende, Biolandbau oder Gentechnik stehen. Ein Interview mit Bernd Schreiner, der als grüner Vordenker seiner Partei gilt

Aber auf dem Parteitag 2011 wurde etwa über Energiepolitik gar nicht erst abgestimmt, weil „beliebtere“ Themen wie Netzpolitik Vorrang hatten.

Das ist ein Manko, doch bei über 600 Anträgen ist es sehr schwer, durchzukommen. Die Umweltpiraten waren immer sehr weit vorne, aber leider nicht weit genug. Wir sind als basisdemokratische Kraft nicht so schnell. Und bei einem Parteitag ist es unrealistisch, so viele Themen abzuarbeiten. Das ist auch einer meiner Pläne für die Zukunft, uns innerparteilich besser zu vernetzen.

Wie muss man sich denn die Arbeit in Ihrer AG Umwelt im Vergleich zu „konventionellen“ Parteien vorstellen?

Bei uns gibt es keine Hinterzimmer oder geheime Absprachen, wir dokumentieren alles in unserem Wiki. Zudem benutzen wir eine spezielle Software, da klinken wir uns online ein und reden über Politik. Und wir führen „Piraten-Pads“, das sind Dokumente, in die jeder gleichzeitig reinschreiben kann. So wird unsere Arbeit transparent, und die Basis bestimmt mit.

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Und was steht da zur Umweltpolitik?

Umweltpolitik ist bei uns kein reines Schutzprogramm. Uns geht es also nicht nur darum, wie man einen einzelnen Käfer oder Wald schützt, unsere Politik ist etwas freier angelegt.

Das heißt?

Was beispielsweise konventionelle Parteien als regenerative Energie betrachten, unterscheiden wir noch einmal detaillierter. Für uns gibt es einmal erneuerbare Energieträger wie Wälder und Biomasse, und außerdem generative Ressourcen wie die Sonne, Wind und die Geothermie. Während man bei den erneuerbaren im Kreislauf wirtschaften sollte, also nur den Zuwachs, nicht aber die Substanz verbrauchen, wollen wir die generativen Quellen so massiv wie möglich ausbeuten, etwa mit einem stärkeren Anteil der Photovoltaik.

Und Sie möchten aus der Kernenergie aussteigen. Reicht unsere Sonneneinstrahlung, um das Land zum großen Anteil durch Photovoltaik zu versorgen?

Wir sind davon überzeugt. Photovoltaik wird immer billiger, wir haben unglaublich viele Flächen, wo man das anwenden kann, etwa Fassaden mit Folien beschichten, die Dächer von Autos nutzen – da ergibt sich ein unglaubliches Potenzial. Zusätzlich denken wir über Speicherkonzepte nach: Wir diskutieren über die Möglichkeit, mit Strom Methan zu erzeugen und dieses ins Erdgasnetz einzuspeisen. Das ist eine CO 2-neutrale Technologie.

Experten gehen davon aus, dass mittelfristig Windenergie deutlich vielversprechender ist.

Offshore-Windparks dienen dem Machterhalt der bisherigen Groß-Konzerne. Unserem Netzwerkgedanken entsprechend begrüßen wir die Technik, wenn sie dezentral und bei kleinen Erzeugern liegt.

Allein das Internet braucht nach Schätzungen heute schon mehr Energie als ganz Deutschland. Ist hier nicht Abrüstung angesagt?

Ganz im Gegenteil. Nehmen Sie zum Beispiel den ganzen Belegverkehr: Vor nicht langer Zeit haben die Banken alle Belege durch die Gegend gekarrt. Firmenmitarbeiter setzen sich drei-, viermal am Tag ins Auto, um Dokumente auszutauschen. Erstaunt hören sie dann davon, wie unsere Partei arbeitet. Wer Energie sparen will, muss konventionelle Kommunikation noch viel mehr durch Datentransfer ersetzen.

Das Internet als Mittel zur Effizienz?

Ja. Große Firmen wie Google fangen bereits an, ihre Serverfarmen mit Sonnen- und Windstrom zu versorgen und investieren da große Summen.

In Ihrem Programm heißt es, Sie wollen den Eintrag von „schädlichen Stoffen“ wie etwa CO 2 reduzieren. Sollte der Staat hier Ihrer Meinung nach regulierend eingreifen?

Der Staat muss sogar regulierend eingreifen. Andererseits sollte er Unternehmen auch fördern, etwa mit einem Fördergesetz für Speichertechnologien.

Der Staat soll sich der Entfaltung des Einzelnen möglichst nicht in den Weg stellen. Andererseits fordern Sie jetzt doch Regulation.

Wenn wir einen Wirtschaftsunternehmer regulieren, schränken wir damit die Freiheit des Einzelnen ja nicht ein. Den Unternehmer als rechtliche Position natürlich schon, aber das lässt sich gut mit dem Wohl der kommenden Generationen begründen.

Weiter heißt es bei Ihnen, Sie wollen bei der Energieversorgung eine „transparente dezentralisierte Erzeugerstruktur“ …

Alle Erzeuger sollten einen gleichberechtigten Zugang zu den Netzen haben, weg von den großen Kraftwerken, hin zu den kleinen dezentralen. Wir sind der Meinung, dass im Zuge der Energiewende vorrangig die Mittelspannungsnetze ausgebaut werden sollten, sodass sich Nachbarregionen gegenseitig versorgen können.

Sie meinen, wir brauchen keine Leitungen, die Offshore-Windparks in der Nordsee mit Bayern verbinden?

Auch in Bayern können wir Sonnen- und Windkraft nutzen. Außerdem haben wir etwa in Thüringen das Konzept, neue Leitungen mit anderen Infrastrukturen zusammenzulegen. Es gibt den Vorschlag, den Strom durch einen halbvergrabenen Betontunnel neben der Autobahn zu leiten. Diese Lösung wäre ein Mehraufwand, aber man ist danach sehr viel flexibler.

Was ist an einem Betontunnel flexibel?

Den Tunnel könnte man für Energieleitungen benutzen, später aber auch Glasfaserkabel integrieren, oder neue, stärkere Leitungen. Und man spart sich das ganze Raumordnungsverfahren. Am Anfang wäre diese Lösung teurer, später sehr viel billiger. Es geht ja um ein Konzept, die Energie langfristig bezahlbar zu halten. Also Energie zu erzeugen und zu verteilen, die unabhängig von der fossilen Knappheit ist.

Das Internet lässt sich ebenfalls als engmaschiges Netz mit vielen Teilnehmern auffassen. Hat diese Idee Ihre Energiepolitik inspiriert?

Diese Parallelen sind sogar bewusst gewählt. Ein „Internet des Stroms“, also ein „Worldwide Grid of Power“, ist nicht nur unsere Zukunftsvision. Irgendwo auf der Welt scheint immer die Sonne, irgendwo weht immer der Wind. Wenn wir das nur engmaschig genug vernetzen, haben wir keine Probleme mehr.

Also doch neue Leitungen …

Zugegeben, es ist ein bisschen ein Widerspruch. Im Moment ist das Stromnetz eine Baumstruktur, ein Stamm, große Äste, die sich immer weiter verzweigen. Was wir uns langfristig vorstellen, ist eine Netzstruktur ohne Stamm. Das Worldwide Grid ist da eine Vision, die modellhaft im Raum steht und vielleicht in 30 Jahren machbar ist. Als wir in unserer Jugend Akustikkuppler zusammengelötet haben, träumten wir davon, dass bald alle Computer so vernetzt sind. Heute haben wir dieses Netz in unserer Hosentasche.

Wie stehen die Piraten zum Biolandbau?

Das Konzept ist interessant, aber der ursprüngliche Gedanke war ja ein regionaler Futterkreislauf. Dieser Gedanke wurde abgelöst durch ein Bio-Siegel. Das Bio-Soja, mit dem die Tiere jetzt gefüttert werden, kommt von irgendwoher, stammt also nicht mehr aus dem regionalen Kreislauf. Deshalb ist „bio“ nicht mehr unbedingt das, was ökologisch sinnvoll ist. Es gibt aber etwa in Bayern auch viele positive Beispiele wie Lammsbräu oder die Hofpfisterei. Die arbeiten mit lokalen Landwirten langfristig zusammen, das ist gut, das ist positiv.

Und was halten Sie von grüner Gentechnik?

Gentechnik ist nur ein Werkzeug. Wir müssen immer das Ergebnis betrachten und nicht einfach das Werkzeug verurteilen. Gene aus fremden Arten einzubringen und damit Artgrenzen zu verwischen, wie es momentan geschieht, ist unverantwortlich, die Folgen kann man noch nicht überblicken. Auch, dass es Absurditäten wie Patente auf Leben nicht geben darf, ist die feste Überzeugung der Piraten.

Bernd Schreiner (44) ist seit Juni 2009 Mitglied bei den Piraten. Zwei Jahre später wurde er Vorsitzender des Landesverbandes Thüringen. Zugleich ist er als Mitgründer der AG Umwelt einer der grünen Vordenker der Partei. Seinen Beruf als freischaffender Architekt hat er für sein Polit-Engagement mittlerweile fast aufgegeben, sagt er.

Das Interview führte Christoph Behrens. Es wurde in der Juli-Ausgabe von natur veröffentlicht.

Bild: CC-BY-SA Axel Anders

© natur.de – natur Redaktion
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mes|to  〈Mus.〉 traurig, wehmütig (zu spielen) [ital.]

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