Kohlmeisen gehören zu den häufigsten Singvögeln in unseren Parks und Gärten. Typisch für sie sind der schwarz-weiße Kopf und die gelbe Brust, die in der Mitte eine mehr oder weniger breite „Krawatte“ aus schwarzen Federn trägt. Bei den Männchen ist dieser Streifen ein wichtiges Signal, denn die Breite der „Krawatte“ verrät auch einiges über ihre biologische Fitness.
Nicht melodiös, aber präzise
In der Paarungszeit jedoch spielt ein anderes Signal für die potenziellen Partnerinnen eine wichtigere Rolle: der Gesang. Kohlmeisen gehören zwar nicht zu den melodiösesten Sangeskünstlern, sind dafür aber umso ausdauernder: Die unermüdlichen zwei- oder dreisilbigen Tonfolgen der Kohlmeisen-Männchen sind gerade im Frühling kaum zu überhören. Was aber entscheidet, ob ein Vogelweibchen diesen Gesang attraktiv findet oder nicht?
Dieser Frage ist nun Heinz Richner von der Universität Bern nachgegangen. Seine Vermutung: Vielleicht verrät bei den Kohlmeisen die Präzision des Gesangs die Qualitäten des Sängers. Denn um präzise Intervalle zu singen, muss der Vogel seinen Stimmapparat sehr gut kontrollieren können. Um das zu testen, animierte der Biologe Kohlmeisen-Männchen zum Singen und analysierte ihre Gesänge. Außerdem maß er jeweils die Ausprägung der schwarzen „Krawatte“ auf ihrer Brust.
Korrelation von Sangeskunst und Krawatte
Das Ergebnis: Tatsächlich gibt es deutliche Unterschiede darin, wie präzise einzelne Kohlmeisen-Männchen singen – und dies scheint tatsächlich eng mit ihrer sonstigen Fitness zusammenzuhängen. Denn wie Richner feststellte, trafen diejenigen Vogelmännchen ihre Töne am besten, die einen gut ausgeprägten und breiten Bruststreif trugen. Die Kohlmeisen mit den größten Krawatten sind demnach auch die besten Sänger.
Dies ist in doppelter Hinsicht interessant: Zum einen ist dies das erste Beispiel dafür, dass auch die Präzision des Gesanges etwas über die Qualität des Sängers aussagt. Zum anderen aber gibt das Ergebnis einen Einblick in die biologische Funktion: Ein Rivale oder eine mögliche Partnerin können so die Qualität des Meisenmännchens schon aus größerer Distanz und im dichten Wald einschätzen – ohne dass sie erst die „Krawatte“ begutachten müssen.
Quelle: Universität Bern, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1610062113