Ihr seid in der Tat ein hübsches Paar. Aber jetzt hören Sie schon auf. Doch nicht hier vor allen Leuten.
Ich habe es immer gewusst, dass ihr Spießer seid. Ihr seht aus wie Spießer, ihr redet wie Spießer, ihr bewegt euch wie Spießer.
Nun machen Sie mal einen Punkt! Nur weil wir nicht vor allen Leuten rummachen wie ihr?
Dass ich nicht lache! Ihr begattet euch vor allen Augen und laufender Kamera und nennt das noch Filmkunst!
Aber das wird doch nur angedeutet, praktisch als ein Hohlspiegel der Wirklichkeit. In Wahrheit lieben wir uns im Dunkeln und hinter verschlossenen Türen, zumindest die meisten von uns.
In der freien Wildbahn tun das unsere Brüder und Schwestern auch. Wenn das Frühjahr kommt, ziehen sie sich, damit sie nicht gestört werden, in einen unterirdischen Tunnel zurück. Und dann geht’s los. Das Männchen hat einen ganzen Harem zu beglücken. Da würden die Zoobesucher hier sicher Schlange stehen. Aber die bleiben im Untergrund und superdiskret.
Ach, und ihr im Zoo lasst alle Hemmungen fallen?
Irgendwie scheint das mit euch zu tun zu haben.
Wieso das denn?
Neulich war ein Forscherteam von der Universität Washington bei unseren Kollegen im Zoo von St. Louis. Die haben festgestellt, dass die vielen Zuschauer uns zum Liebesspiel regelrecht animieren. Hallo Sie da, kommen Sie ruhig näher! Los, Leute, kommt! Wir zeigen euch mal was!
Aber bitte, wir sind doch mitten im Interview.
Tschuldigung, da hätte es mich beinahe wieder übermannt. Was war doch gleich die Frage?
Ihr schmust also umso mehr, je mehr Leute euch zuschauen?
Das ist doch vollkommen klar. Im Zoo haben wir einfach keinen Stress mehr wie in freier Wildbahn.
Wer hat euch denn da so zugesetzt?
Dreimal dürft ihr raten! Ihr natürlich, Mann. Nur wegen so ein paar popeliger Weizenfelder habt ihr uns gejagt wie die Wahnsinnigen. Dabei habt ihr weiß Gott genug von den Körnern.
Das sehen die Bauern vermutlich etwas anders. Im Übrigen geht’s euch hier ja wohl gold!
Genau, keiner tut uns mehr was, keine Adler, Kojoten, Klapperschlangen. Keine Vorsicht mehr nötig. Und was machen wir mit der gewonnenen Zeit? Liebe! Das solltet ihr auch mal probieren, dann hättet ihr nicht diese demografischen Probleme.
Aber wir leben nicht im Zoo.
Jetzt will ich Ihnen mal was verraten: Wir von der Schwarzschwanz-Präriehund-Gemeinde in zoologischen Gärten haben unseren Egoismus entdeckt und leben ihn konsequent aus. Essen, trinken, Liebe machen, Cha-Cha-Cha! Auf den Rest pfeifen wir. Soll ich’s mal vormachen?
Ach, musikalisch sind Sie also auch noch?
Sischerdat! Wir leben mit und nach der Falco-Hymne: „Die ganze Welt dreht sich um mich, denn ich bin nur ein Egoist.“ So ist er nun mal, der Schwarzschwanz-Präriehund.
Stimmt, Falco hätte sicher seinen Spaß mit euch gehabt.
GESPRÄCH: NORBERT LEWANDOWSKI
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