Wer glaubt, im Pflanzenreich ginge es friedlich zu, der irrt. Denn unter dem Grünzeug wird um die besten Plätze gerangelt, werden andere chemisch ferngehalten oder ein Parasit spart sich gleich ganz die eigene Arbeit. Eine dieser parasitischen Pflanzen ist der zu den Windengewächsen gehörende Teufelszwirn (Cuscuta), auch als Seide bezeichnet.
Dieser pflanzliche Parasit bildet keine eigenen Blätter und Wurzeln, sondern windet sich um die Sprosse meist krautiger, zweikeimblättriger Pflanzen und rankt an ihnen empor. Mit speziellen Saugorganen, den Haustorien, dringt der Teufelszwirn in die Leitgewebe seiner Opfer ein. Über diese Verbindung entziehen die Parasiten ihrer Wirtspflanze Nährstoffe, Wasser und auch Kohlenhydrate. Für die befallene Pflanze hat dies fatale Folgen: Sie wird stark geschwächt und stirbt meist ab, ohne Samen und Früchte auszubilden.
Keine Chance bei der Tomate
Interessanterweise aber gibt es eine Pflanze, der der Teufelszwirn nichts anhaben kann: die Kulturtomate (Solanum lycopersicum). Als eine der wenigen resistenten Arten wird sie zwar von Parasiten umwunden, lässt ihn aber nicht in ihren Spross einwachsen. Ihr Trick: Sobald sie den Befall bemerkt, bildet sie ein korkig-holziges Schutzgewebe. Diesen harten Schutzpanzer kann der Teufelszwirn nicht durchdringen. Weil er dadurch nicht an die benötigten Nährstoffe herankommt, stirbt der Parasit ab.
Wie aber erkennt die Tomate, dass unmittelbare Gefahr droht? Das haben nun Volker Hegenauer von der Universität Tübingen und seine Kollegen näher untersucht. Sie testeten dafür zunächst, ob die Tomate auf äußerlich aufgetragene Extrakte des Teufelszwirns reagiert. Und tatsächlich: Während Tabakpflanzen und die Wildtomate Solanum pennelii keinerlei Veränderung zeigten, begann die Kulturtomate daraufhin, ihren Schutzpanzer auszubilden. Offenbar konnte sie bestimmte Moleküle des Parasiten wahrnehmen.
Rezeptor “erschnüffelt” Parasitenpräsenz
Bei näheren Analysen zeigte sich: Die Tomate trägt ein Gen in ihrem Erbgut, das ihr bei dieser Parasiten-Erkennung hilft. “Im Erbgut der Tomate kodiert es für einen Rezeptor, der auf der Oberfläche der Tomatenzellen sitzt”, erklärt Koautor Markus Albert von der Universität Tübingen. “Er erkennt ein molekulares Muster des Teufelszwirns.”
Sobald dieser Rezeptor bestimmte Moleküle des Teufelszwirns registriert, löst er über mehrere Schritte eine Art Immunantwort der Tomate aus. “Die Tomatenpflanze erkennt Pflanzenparasiten in ganz ähnlicher Weise, wie sie auch eindringende Bakterien wahrnehmen kann”, sagt Albert. Ein solcher Mechanismus der angeborenen Immunität war bisher nur aus der Abwehr der Pflanze gegen mikrobielle Krankheitserreger, Insekten oder Spinnentiere bekannt. Dass es Pflanzen gibt, die so auch fremde, und potenziell bedrohliche andere Pflanzen erkennen, war bisher unbekannt.
Die neuen Erkenntnisse zur Immunantwort der Tomate geben nun bessere Ansatzpunkte, den Dialog zwischen Pflanzen auf zellulärer Ebene zu verstehen. “Außerdem stehen durch diese Entdeckung Pflanzenforschern neue Möglichkeiten zur Verfügung, Nutzpflanzen zu kreieren, die für parasitische Pflanzen weniger anfällig sind”, so Albert. Dadurch könnten künftig auch andere Nutzpflanzen besser gegen pflanzliche Parasiten geschützt werden.
Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.aaf3919