Im Gegensatz zum eher einzelgängerischen Hasen sind Kaninchen soziale Wesen: In der freien Wildbahn verbringen sie große Teile ihrer Zeit damit, gemeinsam zu fressen. Sie liegen aneinander gekuschelt in ihrem Bau oder beknabbern sich gegenseitig zur Fellpflege. Die Kaninchen sind zudem so anpassungsfähig und genügsam, dass sie längst auch mitten in unseren Großstädten vorkommen.
Doch ihre geringen Ansprüche und die unkomplizierte Haltung wird den Kaninchen zum Verhängnis: Weil sie als Säugetiere in vielen Aspekten ihrer Physiologie uns Menschen ähneln, sind sie beliebtes Versuchsobjekt in der medizinischen Forschung – nicht umsonst ist das „Versuchskaninchen“ bei uns schon sprichwörtlich. Wie der Bundesverband Menschen für Tierrechte berichtet, sind Kaninchen nach Mäusen, Ratten und Fischen das vierthäufigste Versuchstier in deutschen Laboren.
Tod für unsere Gesundheit
Das Leben der Versuchskaninchen vor ihrem Tod ist nicht gerade angenehm: In den Laboren werden die geselligen Tiere oft einzeln in kleinen Käfigen mit perforierten Böden ohne Einstreu gehalten, um die Reinigung möglichst einfach zu machen. Der soziale Kontakt mit Artgenossen fehlt und auch arttypische Verhaltensweisen wie Graben oder Hoppeln sind eingeschränkt. Die Futterpellets decken zwar den Nahrungsbedarf, sind aber zu energiereich. Das normale Fressverhalten – nach und nach über den Tag verteilt – ist so kaum mehr möglich.
Die meisten Kaninchen werden für Versuche in der Humanmedizin eingesetzt: 43 Prozent sterben für die Entwicklung von Impfstoffen, Seren und Antikörpern, weitere 43 Prozent werden für die Herstellung und Qualitätskontrolle von medizinischen Produkten und Geräten eingesetzt. Zehn Prozent werden für wissenschaftliche Zwecke und zur Organentnahme getötet oder zu Ausbildungszwecken genutzt. Zwei Prozent der Tiere sterben für Giftigkeitstests von Chemikalien, Arzneimitteln, Produkten und Geräten. Insgesamt kommen in Deutschland jedes Jahr 95.000 Kaninchen bei Tierversuchen zu Tode.
Alternativen gibt es längst
„Es ist ein Skandal, dass noch immer so viele Kaninchen als Messinstrumente dienen, obwohl für die meisten Tests mittlerweile tierversuchsfreie Verfahren zur Verfügung stehen“, sagt Christina Ledermann, stellvertretende Vorsitzende beim Bundesverband Menschen für Tierrechte. So können Antikörper mittlerweile auch mit Hilfe von Bakterien und Phagen hergestellt werden. Die Sicherheit von Implantaten und anderen Medizingeräten lässt sich mit dem In-vitro-Pyrogentest auf Blutverträglichkeit und fieberauslösende Partikel testen.
Obwohl es diese Methoden gibt und sie auch von den Behörden anerkannt sind, werden sie bisher nur wenig eingesetzt. Und das, obwohl die Europäische Tierversuchsrichtlinie verlangt, vor dem Tierversuch die alternativen, tierversuchsfreien Methoden zu nutzen. Das Problem: Die Anwendung dieser alternativen Methoden ist bisher in den Prüfbestimmungen nicht verbindlich festgeschrieben. Hinzu kommt, dass die Forschung an tierversuchsfreien Verfahren bisher nur unzureichend gefördert wird, wie Ledermann erklärt.
„Politik, Wissenschaft und Industrie stehen gemeinsam in der Pflicht, damit die tierversuchsfreien Verfahren endlich vorankommen und der Tierversuch endgültig verschwindet“, so Ledermann. Um das zu erreichen, müssten die Regelungen so verändert werden, dass die praxisreifen tierversuchsfreien Methoden verpflichtend werden. Parallel dazu sollten die entsprechenden Tierversuche aus den Prüfvorschriften gestrichen werden. Zudem sei es nötig, mehr Gelder in die Erforschung alternativer Testmethoden zu stecken, so der Bundesverband.
Quelle und Bild: Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.