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Keine unberührten Landschaften mehr

Menschen haben "ursprüngliche" Lebensräume schon vor Jahrtausenden verändert

Keine unberührten Landschaften mehr
Urwald
Selbst vermeintlich ursprüngliche Urwälder sind es oft nicht. (Foto: Fotolia/quickshooting)
Wenn es um den Schutz von Landschaften geht, steht das Argument der “Ursprünglichkeit” oft weit vorne. Es gilt, Urwälder, Steppen und andere naturbelassene Lebensräume zu erhalten. Doch jetzt belegen Forscher, dass auch diese Landschaften längst das Ergebnis menschlicher Einflüsse sind.

Wie viele wirklich ursprüngliche Landschaften gibt es noch auf der Erde und vor allem bei uns in den Industrieländern? Sind Urwaldreste in Polen und Frankreich, Haine aus immergrünen Eichen in der Levante oder Reste von Grasland in den USA wirklich Relikte einer unberührten Natur? Genau das haben Nicole Boivin von der University of Oxford und ihre Kollegen nun anhand von archäologischen Funden, Fossilien und Genanalysen untersucht.

Folgenreiche Eingriffe schon in der Steinzeit

Ihr Ergebnis: Der prägende Einfluss des Menschen auf Landschaften macht sich keineswegs erst seit Entstehung der großen Hochkulturen oder gar der Industrialisierung bemerkbar. Schon Jahrtausende früher veränderten unsere Vorfahren ihre Umwelt und hinterließen damit bleibende Spuren. Viele der heute vermeintlich als ursprünglich geltenden Landschaften und Lebensräume existieren, weil unsere Vorfahren sie entsprechend formten.

So nutzten Menschen schon vor zehntausenden von Jahren gezielt das Feuer, um bestimmte Pflanzen in den Savannen Afrikas, den Steppen Amerikas und sogar im Regenwald auf Borneo zu fördern. Mit ihren Wanderungen gelangten zudem viele Pflanzen und Tiere in neue Gebiete. Bis zum Ende der letzten Eiszeit führte der menschliche Einfluss dazu, dass 150 große Säugetierarten ausgerottet wurden oder zumindest erheblich seltener wurden. Das wiederum hatte dramatische Folgen für ihre Lebensräume, wie die Forscher berichten.

“Transportierte Landschaften”

Noch dramatischer aber wurde der menschliche Einfluss nach der Entwicklung der Landwirtschaft in der Jungsteinzeit. Denn durch sie begannen domestizierte Pflanzen und Tiere ihren Siegeszug und verdrängten vor allem in Europa und vielen dichter besiedelten Gebieten die wilden Lebewesen. “Bei den Wirbeltieren ist dadurch der Anteil der wilden Arten im Vergleich zu den domestizierten nur noch verschwindend gering”, konstatieren Boivin und ihre Kollegen.

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Noch drastischer waren die Folgen für die ursprüngliche Lebenswelt der meisten Inseln: Als unsere Vorfahren diese Eilande besiedelten, brachten sie ihre Tiere und Pflanzen mit und veränderten damit die Landschaften nach ihrem Gusto. “Die Einführung von Arten auf Inseln war in der Vergangenheit so gängig, dass Archäologen sogar oft von ‘transportierten Landschaften’ sprechen”, erklären die Forscher. Das gelte für Mittelmeerinseln wie Zypern ebenso wie für polynesische Inseln im Pazifik.

Aber auch Bronzezeit und Antike haben ihre Spuren in unseren Landschaften hinterlassen. Schiffbau und der Bedarf an Brennmaterial führten nicht nur dazu, dass viele Landschaften im Mittelmeerraum waldlos wurden, in der Levante lösten nun auch immergrüne Eichenwälder die ursprünglichen laubabwerfenden Bäume ab. Auch die vermeintlich ursprünglichen Urwaldreste in Frankreich sind in Wirklichkeit mit Pflanzen durchsetzt, die erst mit den Römern in diese Gegenden kamen, wie die Forscher erklären.

Was heißt das für den Naturschutz?

Diese Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf unser Bemühen, besonders ursprüngliche Landschaften zu schützen oder sie durch Renaturisierung wiederherzustellen. “Es ist nun eher unklar, welche ‘natürlichen’ Ziele die ökologische Wiederherstellung anstreben soll”, konstatieren Boivin und ihre Kollegen. Denn meist ist der vermeintlich natürliche Zustand genauso wenig natürlich wie der akut bestehende.

“Wenn wir besser verstehen wollen, wie wir heute unsere Umwelt erhalten und Arten schützen können, dann müssen wir unsere Perspektive ändern”, sagt Boivin. “Wir sollten mehr darüber nachdenken, wie wir saubere Luft und frisches Wasser für kommende Generationen sichern können und weniger darüber, wie wir unseren Planeten wieder in seinen ursprünglichen Zustand bekommen.”

Quelle: University of Oxford, Fachartikel: Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1525200113

© natur.de – Nadja Podbregar
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