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Leuchtende „Insektenstaubsauger“

Fatale Beleuchtung in der Nähe von Gewässern

Leuchtende „Insektenstaubsauger“
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Noch scheint die Abendsonne... Auf Versuchsfeldern im Naturpark Westhavelland erforschen Wissenschaftler die ökologischen Auswirkungen von künstlicher Beleuchtung (Foto: Alessandro Manfrin / IGB).
Dramatische Verluste bei den Fluginsekten in Deutschland! Diese Nachricht machte kürzlich Schlagzeilen. Buchstäblich ins Licht rücken Forscher nun ein Problem, das den Insekten zu schaffen macht: die Lichtverschmutzung.

Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben nachgewiesen, wie intensiv künstliche Beleuchtung besonders in der Nähe von Gewässern die Gemeinschaften von Insekten beeinflusst. Wie Staubsauger entziehen die Lampen demnach diesen Ökosystemen die fliegenden Insekten. An den leuchtenden Anziehungspunkten warten dann räuberische Insekten und Spinnen auf die „hypnotisierten“ Opfer. Letztlich profitiert aber wohl keiner – auch diese menschengemachten Störeffekte bringen die Ökosysteme letztlich nur durcheinander.

Hinter dem Problem steckt ein allgemein bekannter Effekt: „Männer umschwirr’n mich wie Motten das Licht…“ sang schon Marlene Dietrich – Insekten fliegen nachts buchstäblich auf Kunstlicht. Als Ursache dafür gilt, dass sie sich in der Dunkelheit natürlicherweise am Mondlicht orientieren: Hält ein Insekt einen konstanten Winkel zum Mond, fliegt es geradeaus. Verwechselt es hingegen eine Straßenlaterne mit dem Mond, beginnt es deshalb spiralförmig um diese Lichtquelle herumzusausen. „Es liegt also nahe, dass eine künstlich erhellte Nacht einen maßgeblichen Einfluss auf das Vorkommen und Verhalten von Insekten hat. Insbesondere entlang von Gewässern, die die Heimat von vielen lichtempfindlichen Arten sind“, sagt Alessandro Manfrin vom IGB.

Die Bedeutung der Lichtverschmutzung für diese wichtigen Ökosysteme haben er und seine Kollegen nun im Naturpark Westhavelland fernab von stark beleuchteten Städten genauer untersucht: Auf Versuchsfeldern in der Nähe von Gewässern haben sie die Auswirkungen von Straßenleuchten auf das Vorkommen, die Häufigkeit und das Verhalten von Insekten und Spinnen erfasst. Ein Versuchsfeld blieb dabei als Kontrolle dunkel, während auf dem anderen jeden Abend Straßenlaternen leuchteten.

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Die Auswertungen ergaben: Im Vergleich zum Kontrollfeld verließen beim erleuchteten Versuchsareal viel mehr Insekten ihren ursprünglichen Lebensraum im Bereich des Wassers: Die Insekten wurden von den Lampen gleichsam angesaugt. Auswertungen an den leuchtenden Anziehungspunkten enthüllten zudem, wie intensiv Raubinsekten und Spinnen die Beute-Konzentration nutzten. Sogar deren Verhalten änderte sich, berichten die Forscher: Die Räuber verlängerten ihre natürlichen Aktivitätszeiten, vermutlich um von der Vielzahl der erschöpften oder toten Insekten im Bereich der Lampen zu profitieren. Dies ging aber offenbar wiederum zu Lasten von räuberischen Insekten, die durch ihr natürliches Verhalten nicht von den Lampen profitieren können: Die Anzahl räuberischer nachtaktiver Laufkäfer war auf dem beleuchteten Versuchsfeld stark reduziert.

„Die Studie zeigt, wie künstliches Licht Lebensräume für Insekten und deren Räuber über Ökosystemgrenzen hinweg – Wasser und Land – verändern kann“, sagt Co-Autor Franz Hölker. Insgesamt nimmt das Problem der Lichtverschmutzung immer kritischere Ausmaße an, betonen die Wissenschaftler: Weltweit steigt die Erhellung der Nacht durch künstliches Licht um jährlich etwa sechs Prozent. „Wenn wir neue Beleuchtungskonzepte entwickeln, müssen wir deshalb den möglichen Einfluss auf benachbarte Ökosysteme immer im Hinterkopf behalten“, so Hölker.

Sein Kollege Manfrin gibt abschließend zu bedenken: „Wir Menschen machen die Nacht zum Tag und sind uns gar nicht bewusst, dass dies eine der größten globalen Umweltveränderungen darstellt. Denn klar ist: Die meisten Lebewesen haben sich an einen Hell-Dunkel-Rhythmus angepasst“, so der Forscher.

Quelle: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

© natur.de – Martin Vieweg
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