Unsere Kulturredakteurin Susanne Friedmann liebt den ironisch-sentimental-nostalgisch-coolen Ton der Dichterin Mascha Kaléko, die in den 30er Jahre als einzige weibliche Vertreterin der Neuen Sachlichkeit galt. Ihr Tipp zum Sommer: Wenn schon nicht raus und weg, dann wenigstens Poesie! Unvergesslich ihr Gedicht „Einmal sollte man …“
Aktueller Tipp aus der Redaktion von natur: Wenn schon nicht raus und weg, dann wenigstens Poesie!
Und das würde der Berliner Naturphilosoph und -Poet Andreas Weber, den wir in der aktuellen Ausgabe von natur porträtiert haben, garantiert unterschreiben….
Einmal sollte man …
Einmal sollte man seine Siebensachen
Fortrollen aus diesen glatten Gleisen
Man müßte sich aus dem Staube machen
Und früh am Morgen unbekannt verreisen.
Man sollte nicht mehr pünktlich wie bisher
Um acht Uhr zehn den Omnibus besteigen.
Man müßte sich zu Baum und Gräsern neigen,
Als ob das immer so gewesen wär.
Man sollte sich nie mehr mit Konferenzen,
Prozenten oder Aktenstaub befassen.
Man müßte Konfession und Stand verlassen
Und eines schönen Tags das Leben schwänzen.
Es gibt beinahe überall Natur,
– Man darf sich nur nicht sehr um sie bemühen –
Und so viel Wiesen, die trotz Sonntagstour
Auch werktags unbekümmert weiterblühen.
Man trabt so traurig mit in diesem Trott.
Die andern aber finden, daß man müsste …
Es ist fast, als stünd man beim lieben Gott
Allein auf der schwarzen Liste.
Man zog einst ein Lebenslos „zweiter Wahl“.
Die Weckeruhr rasselt,. Der Plan wird verschoben.
Behutsam verpackt man sein kleines Ideal.
– Einmal aber sollte man … (Siehe oben!)
Buchtipp:
Mascha Kaléko: Sämtliche Werke und Briefe in vier Bänden, dtv, 78 Euro
Foto: dtv
© natur.de – Susanne Friedmann