Sie sind auf unserer Haut, in unserem Körper und überall in unseren Städten. Manche helfen uns, gesund zu bleiben – andere machen uns krank. Sie bilden eine eigene Welt, mit eigenen Beziehungen und Gemeinschaften, unsichtbar und in vielen Teilen noch unbekannt. Die Rede ist von Bakterien, Pilzen und Viren – den Mikroben, die uns und unsere Umwelt mit komplexen Netzwerken überziehen. Welch unerwarteter Artenreichtum sich auf unserer Haut, in der Luft um uns herum und sogar in unseren Kaffeemaschinen oder Wasserleitungen findet, haben Wissenschaftler erst vor kurzem herausgefunden.
Unsichtbares Leben im Untergrund
Angeregt durch solche Funde hat ein internationales Forscherteam nun ein ehrgeiziges Projekt gestartet: Sie wollen das verborgene Mikrobiom unserer Städte kartieren – und das rund um die Welt. Der Fokus liegt dabei auf den Mikroorganismen, die sich in den U-Bahnsystemen der Metropolen tummeln. Entstehen soll eine Weltkarte dieses unsichtbaren Lebens.
„U-Bahnsysteme eignen sich in besonderer Weise, um in diese Welt vorzudringen“, erklärt Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin. „Sie sind gleichermaßen hoch frequentierter öffentlicher Raum und ein wesentlicher Faktor für die Verbreitung von Organismen. Gleichzeitig sind sie aber durch ihre unterirdische Bauweise weitgehend unbeeinflusst von Umwelt- und Witterungseinflüssen.“
New York machte den Anfang
Den Anstoß zu diesem ehrgeizigen Projekt gab eine Studie von US-Forschern in New York City. Sie hatten über 17 Monate hinweg Proben von Bänken, Geländern, Mülleimern und Ticketautomaten in den Bahnhöfen und von verschiedenen Oberflächen in den U-Bahn-Zügen genommen und analysiert. Dabei fanden sie Erstaunliches: Knapp die Hälfte der mittels DNA entdeckten Mikroben waren noch zuvor nirgendwo gefunden worden.
Interessant auch: Unter den U-Bahn-Mikroben fanden sich weniger Krankheitserreger als erwartet, sie machten nur rund zwölf Prozent aus. Unter diesen allerdings hatten es einige in sich: Neben einigen resistente Erregern entdeckten die Forscher DNA-Fragmente des Milzbranderregers Bacillus anthracis und sogar DNA, die vom Pesterreger Yersinia pestis stammte.
Probennahme jetzt auch in Berlin
Um so spannender ist es, nun auch die Mikrobenwelt in anderen Städten und ihren U-Bahnen zu untersuchen. Unter den 40 bereits am Projekt MetaSub beteiligten Städten ist nun auch Berlin: In den kommenden Wochen sind Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts (RKI) im gesamten U-Bahnnetz Berlins unterwegs, um mit einer Art Wattestäbchen Proben von allen wesentlichen Oberflächen zu nehmen.
Alle Proben aus Berlin werden in die MetaSub-Koordinierungsstelle in New York geschickt, wo die DNA isoliert und analysiert wird. Die so gewonnenen Daten untersuchen Forscher am Robert-Koch-Institut anschließend mit bioinformatischen Methoden und vergleichen sie unter anderem mit den Erbgutabschnitten bekannter Bakterien.
Schon jetzt sind die Wissenschaftler auf die Ergebnisse gespannt: „Tatsächlich wissen wir noch relativ wenig über diese Mikrobiome und wie sie funktionieren“, sagt Wieler. Wie sieht das Mikrobiom Berlins im Vergleich zu anderen Städten aus? Welche Arten sind nachweisbar? Gibt es unbekannte Mikroben? Verändert sich das Mikrobiom im Laufe der Zeit? Sind die unsichtbaren Lebensgemeinschaften im Süden der Stadt womöglich andere als im Norden? Diese und andere Fragen könnten die nun in der Berliner U-Bahn gesammelten Proben klären helfen.
Quelle: Robert Koch-Institut (RKI), Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)