Die Wärme klettert gleichsam die Berge hinauf: Der Klimawandel hält zunehmend Einzug in der Alpenregion. Für die spezialisierten alpinen Pflanzenarten bedeutet das: Um weiterhin in ihrem typischen Klimabereich wachsen zu können, müssen sie ihren Lebensraum bergauf verlagern. Doch für die ausdauernden Gewächse ist das besonders problematisch, geht aus einer Analyse von Forschern der Universitäten Zürich, Wien und Grenoble hervor.
Sie haben ein neues Modell entwickelt, das ökologische sowie evolutionäre Mechanismen berücksichtigt und damit zu zuverlässigeren Voraussagen zur Entwicklung der Pflanzenvielfalt im Alpenraum führt als bisher. Konkret haben die Biologen ihr Modell auf vier alpine Pflanzenarten angewandt und deren Verbreitung unter drei möglichen Klimaszenarien bis ins Jahr 2150 mit Hilfe von Supercomputern simuliert.
Verharren am ungünstigen Standort
Dabei zeichnete sich ein bisher kaum beachteter Faktor ab: Die Langlebigkeit dieser Arten und ihr dadurch vergleichsweise langsamer Generationswechsel ist besonders problematisch. Die lange Lebensdauer begünstigt demnach das Verbleiben an den Standorten, die diese Pflanzen aktuell besetzen. Wie die Biologen erklären, werden sie dadurch zwar viele Standorte länger besiedeln als es aus bisherigen Modellen hervor ging. Sie produzieren dort aber Nachwuchs, der schlecht an die sich ändernden Bedingungen an dem jeweiligen Standort angepasst ist.
Die durchgeführten Simulationen zeigen damit letztlich, dass die Anpassungsfähigkeit der Pflanzen nicht mit den raschen klimatischen Veränderungen Schritt halten kann. Dabei gilt es außerdem zu beachten: Die älteren Individuen halten sich noch lange hartnäckig in einer sich verschlechternden Umwelt, was darüber hinwegtäuscht, dass sich allmählich eine Aussterbeschuld aufbaut. “Die Dichte des Bestands nimmt schneller ab als die geographische Verbreitung”, resümiert Stefan Dullinger von der Universität Wien. Um dieses unsichtbare Aussterberisiko korrekt zu erfassen, gelte es deshalb nicht nur, die Verbreitung der alpinen Pflanzenarten, sondern auch die lokalen Bestandsdichten zu erfassen, sagen die Forscher.
Aus der Studie geht außerdem hervor: Bei den günstigeren Klimaszenarien – die nur von einer Erwärmung um ein Grad ausgehen – könnten sich die Pflanzenbestände wieder erholen. “Aber wenn der Klimawandel sich ungebremst entwickelt, haben die Pflanzen ein großes Problem”, sagt Frédéric Guillaume von der Universität Zürich. Ein Problem, das sich der oberflächlichen Beobachtung entzieht und sich nur bei genauerem Hinsehen offenbart.
Quelle: Universität Wien