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Resistente Erreger auf dem Vormarsch

Gesundheit|Medizin

Resistente Erreger auf dem Vormarsch
Multiresistentes Bakterium
Viele multresistente Bakterien sind auch gegen neuere Antibiotika resistent.
Antibiotika haben die Welt verändert. Mit ihrer Entdeckung vor mehr als 80 Jahren wurden tödliche Krankheitserreger zu besiegbaren Feinden. Doch die Freude war nicht von langer Dauer: Immer mehr Keime sind inzwischen resistent gegen Antibiotika, die einst so scharfen Waffen der Medizin sind stumpf geworden.

„Wir sind an einem Punkt angekommen, der ähnlich erschreckend ist wie die prä-antibiotische Ära: Für Patienten, die mit einem multiresistenten Bakterium infiziert sind, gibt es keine magische Kugel mehr“, erklärte Cesar Arias, Professor für Medizin an der University of Texas bereits vor einigen Jahren im renommierten „New England Journal of Medicine“ (NEJM). Denn im evolutionären Wettrüsten von Mensch und Mikrobe holen die Bakterien immer weiter auf.

Krank durchs Krankenhaus

Was das bedeutet, zeigte sich erst in den letzten Tagen am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. 27 Menschen haben sich dort mit einem multiresistenten Stamm des Bakteriums Acinetobacter baumanii infiziert, zwölf Patienten sind bereits gestorben. Dieser Erreger gilt als hochgefährlich, weil er Enzyme erzeugt, sogenannte extended-spectrum-beta-lactamases (ESBL), die selbst neuere Antibiotika wirkungslos machen.

Gesunden Menschen schadet dieser Erreger meist nicht, bei immungeschwächten und ohnehin schon schwerkranken Patienten aber der Erreger tödlich sein. Dass multiresistente Keime ausgerechnet in Krankenhäusern epidemieartig auftreten und schwere Infektionen und Todesfälle auslösen, ist daher kein Zufall. Erstmals wurde die resistente Variante von Acinetobacter im Jahr 2004 in einem US-Militärkrankenhaus nachgewiesen. Inzwischen hat er jedoch einen fast beispiellosen Siegeszug durch Krankenhäuser weltweit angetreten und dabei immer mehr Resistenzen angesammelt.

Fatale Anpassung

Der Grund für die zunehmenden Resistenzen liegt in der Anpassungsfähigkeit der Erreger: Wenn eine Bakterienpopulation in Kontakt mit einem Antibiotikum kommt, dann überleben nur diejenigen, die durch Zufall oder Vererbung unempfindlich gegen den tödlichen Wirkstoff sind. Sie vermehren sich dann weiter und geben so ihre Resistenzgene an ihre Nachkommen weiter – ein resistenter Stamm entsteht.

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Und Kontakt mit Antibiotika gibt es reichlich – und unnötig: Erst vor Kurzem zeigte eine Studie, dass fast jedes dritte Antibiotikum in Deutschland unnötig und falsch verschrieben wird. Das Medikament wird gegen Beschwerden verordnet, gegen die es nicht wirkt. Hinzu kommt, dass Antibiotika in der Massentierhaltung in großen Mengen eingesetzt werden, oft sogar schon vorbeugend oder gar als Masthilfe. Mit Gülle und Mist gelangen die Antibiotika, aber auch resistente Bakterien an die Umwelt und können die Resistenzen dort an andere Erreger weitergeben.

Fernreisende schleppen „Superkeime“ ein

Vor kurzem haben Forscher der Universität Helsinki eine weitere Gefahr ausgemacht: Mehrfach resistente Bakterien werden zunehmend von heimkehrenden Fernreisenden eingeschleppt. Ihre Studie an 430 Finnen ergab, dass 90 Probanden nach einer Reise Acinetobacter und andere ESBL-Bakterien in ihrem Darm trugen – etwa jeder Fünfte. Besonders hoch war der Anteil bei denen, die in Südostasien und Südasien oder Nordafrika unterwegs waren.

„Mehr als 300 Millionen Menschen besuchen diese Hochrisiko-Regionen jedes Jahr“, sagt Studienleiter Anu Kantele. „Wenn nur rund 20 Prozent von ihnen mit den Bakterien infiziert werden, dann ist das eine wirklich große Anzahl – das ist eine ernste Sache.“ Noch gravierender aber: Diejenigen, die während der Reise Antibiotika eingenommen hatten, beispielsweise wegen eines Durchfalls, waren sogar zu 80 Prozent infiziert – und das, obwohl die Durchfälle selbst gar nicht von den ESBL-Bakterien ausgelöst worden waren.

Was tun?

Was aber kann man gegen die weitere Ausbreitung resistenter Erreger tun? Letztlich helfen nur zwei Dinge: Antibiotika möglichst sparsam einsetzen, um Resistenzen gar nicht erst entstehen zu lassen. Und eine penible Hygiene überall dort, wo immungeschwächte und schwerkranke Patienten gefährdet sein können, vor allem in Krankenhäusern und Pflegestationen.

Eine auch nur ansatzweise lasche Hygiene rächt sich beispielsweise bei einem Befall Acinetobacter baumanii sofort. Denn der resistente Erreger kann selbst auf glatten Flächen mehrere Tage bis sogar einige Monate lang überleben. Werden beispielsweise Monitore, Beatmungsgeräte oder Kabel im Umfeld eines schwerkranken, infizierten Patienten auf der Intensivstation nicht gründlich gereinigt, kann im schlimmsten Fall ein später im gleichen Raum untergebrachter Folgepatient den tödlichen Keim „erben“.

Resistenzen: Titelthema in natur 3/2015

Resistenzen bei Bakterien, Pflanzen und Tieren bedrohen die Gesundheit und Ernährung von Milliarden Menschen. Was Forscher dagegen tun, erfahren Sie in der neuen Ausgabe von natur , die am 20. Februar 2015 erscheint.

Foto: CDC/ Melissa Brower

© natur.de – Nadja Podbregar
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