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Schon niedrige Strahlendosen erhöhen das Leukämie-Risiko

Atomkraft und Gesundheit

Schon niedrige Strahlendosen erhöhen das Leukämie-Risiko
Atomkraftwerk
Atomkraftwerk - wer hier arbeitet, hat ein höheres Leukämie-Risiko (Foto: fototrm12/ Fotolia)
Seit Jahren wird darum gestritten, wie gesundheitsschädlich selbst niedrige Strahlendosen sind. Jetzt liefert die bisher umfangreichste Studie zu diesem Thema neue Fakten: Eine anhaltende niedrige Strahlendosis erhöht das Risiko für Leukämie und Lymphome wenig, aber statistisch signifikant. Das betrifft vor allem Arbeiter in Kernkraftwerken – doch ebenso Angestellte der Radiologie.

Dass eine hohe Belastung durch radioaktive Strahlung oder Röntgenstrahlen das Risiko für Leukämie erhöht, ist seit Langem bekannt. Strittig ist allerdings bisher, inwieweit schon geringe Dosen ionisierender Strahlung gesundheitsschädlich sind. So gelten Röntgenaufnahmen und Computertomografien zwar als unbedenklich. Doch man weiß auch, dass sich die schädigende Wirkung dieser Strahlung im Laufe des Lebens kumuliert.

Kernkraftwerks-Arbeiter untersucht

Schon vor mehreren Jahren gab es zudem Berichte über vermehrte Leukämiefälle bei Kindern, die im nahen Umkreis von Atomkraftwerken leben – in einem Bereich, der keine stark erhöhte radioaktive Belastung aufwies. Der Gefahr von niedrigdosierter Strahlenbelastung ist nun ein internationales Forscherteam um Klervi Levraud vom französischen Institut für Strahlenschutz und Reaktorsicherheit auf den Grund gegangen.

In der bisher größten Studie dieser Art werteten die Forscher die Dosimeter- und Gesundheitsdaten von mehr als 308.000 Arbeitern aus, die in Frankreich, Großbritannien und den USA jeweils mindestens ein Jahr lang in Atomkraftwerken gearbeitet hatten. Die Forscher ermittelten, wie viele dieser Arbeiter an einer Leukämie oder einem Lymphom erkrankten und wie viele von ihnen daran starben. Ihre Daten reichten dabei bis zu 60 Jahre weit zurück.

Mehr Leukämie und Lymphome

Und tatsächlich: Die Auswertung ergab zwar keinen eindeutigen Beweis, aber doch einen deutlichen Zusammenhang zwischen Strahlenbelastung und Leukämie-Risiko – und das selbst bei sehr niedrigen Dosen. Im Untersuchungszeitraum starben 531 Arbeiter an Leukämie, 814 an Lymphomen und 293 an einem multiplen Myelom, wie die Forscher berichten. 30 dieser Leukämie-Fälle könne man der Strahlung zuschreiben. (s. Änderungs-Hinweis unten)

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Das Bemerkenswerte daran: Die Arbeiter waren bei ihrer Arbeit im Kernkraftwerk keineswegs einer stark überhöhten Strahlendosis ausgesetzt. Im Gegenteil: Die durchschnittliche jährliche Strahlendosis der Arbeiter lag nur 1,1 Millisievert über der normalen Hintergrundstrahlung. Und auch ihre über die Zeit kumulierte Strahlendosis betrug durchschnittlich 16 Millisievert. Zum Vergleich: Schon eine Computertomografie des Rumpfes führt zu einer kurzzeitigen Strahlenbelastung von 10 Millisievert.

Linearer Zusammenhang auch bei niedrigen Dosen

„Wir haben damit einen positiven Zusammenhang zwischen der kumulativen Dosis ionisierender Strahlung bei Erwachsenen und dem Tod durch Leukämie selbst bei niedrigen Dosen nachgewiesen“, sagen Levraud und seine Kollegen. Dieser Zusammenhang verschwand auch nicht, wenn die Forscher die Länder einzeln betrachteten oder andere Einflussfaktoren wie den sozioökonomischen Status der Teilnehmer berücksichtigten.

Nähere Auswertungen zeigten, dass das Leukämierisiko bei den Arbeitern linear mit der radioaktiven Belastung stieg – und dass dieser lineare Zusammenhang selbst auf niedrigste Dosen übertragbar war, wie die Forscher berichten. Drückt man es mathematisch aus, dann erhöhte sich für jede 10 Millisievert an kumulierter Strahlendosis das Leukämierisiko um 0,002 Prozent. Und noch etwas zeigt die Studie: Entgegen landläufiger Annahme ist eine anhaltende, niedrige radioaktive Belastung genauso schädlich wie ein kurzzeitige akute Verstrahlung.

„Das ist eine solide, ungewöhnlich umfangreiche Studie zu den Folgen einer lang anhaltenden, sehr niedrigen Belastung mit ionisierenden Strahlen“, kommentiert Jørgen Olsen vom dänischen Krebsforschungszentrum in Kopenhagen. Die Ergebnisse unterstreichen, dass es keine ungefährlichen Dosen der Strahlung gibt. Selbst leicht erhöhte Hintergrundwerte können demnach schon ausreichen, um das Leukämierisiko zu erhöhen – wenn auch auf den Einzelnen bezogen nur minimal.

Risikoberuf Röntgenassistent?

Das aber bedeutet, dass nicht nur Kernkraftwerke ein Gesundheitsrisiko bedeuten können, sondern auch alltägliche Strahlenquellen wie Röntgenaufnahmen und andere medizinischen Anwendungen von ionisierender Strahlung. Schon länger wird empfohlen, sich nur dann röntgen zu lassen oder einer Röntgentomografie zu unterziehen, wenn es medizinisch unbedingt nötig ist. Jetzt liefern Levraud und seine Kollegen erstmals konkrete Anhaltspunkte dafür, wie stark sich selbst diese niedrigen Belastungen auf das Krebsrisiko auswirken.

Nach Ansicht der Forscher könnten Angestellte der Radiologie zu der Berufsgruppe gehören, deren Risiko bisher gravierend unterschätzt wurde. „Bisher gibt es keine genauen Abschätzungen ihres dosisabhängigen Leukämie-Risikos, weil es keine Dosimeter-Daten für diese Berufsgruppe gibt“, sagen Levraud und seine Kollegen. Eine frühere Studie hatte allerdings bereits festgestellt, dass Leukämie bei Personen mit mehr als 30-jähriger Tätigkeit in der Radiologie doppelt so häufig vorkommt wie im Bevölkerungsdurchschnitt.

Quelle: Lancet Haematology, 2015; doi: 10.1016/S2352-3026(15)00094-0

Korrekur-Hinweis: In einer früheren Fassung hatten wir Zahlenwerte für die Leukämieraten der allgemeinen Bevölkerung aus Nature News übernommen. Diese wurden jedoch inzwischen zurückgezogen, daher haben auch wir das korrigiert.

© natur.de – Nadja Podbregar
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