Sich erst im höheren Alter fortzupflanzen, birgt ein generationsübergreifendes Risiko – das haben bereits frühere Untersuchungen nahegelegt: Kinder älterer Eltern bekommen selbst weniger Nachkommen und leben kürzer. Dieses als „Lansing-Effekt“ bekannte Phänomen, ist für den Menschen, bei Mäusen und einigen wirbellosen Tieren im Labor belegt. Doch bisher war unklar welche Lebewesen noch betroffen sind und ob der „Lansing-Effekt“ auch bei wildlebenden Populationen nachweisbar ist. Diese Lücke haben Forscher um Julia Schroeder vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen nun geschlossen.
Wo man jeden Spatz persönlich kennt
Ihre Ergebnisse basieren auf der Untersuchung einer ganz besonderen Spatzenpopulation: Sie existiert auf der kleinen Insel Lundy vor der Südwestküste Englands. Die rund 5000 Sperlinge der Insel bleiben ihr Leben lang in ihrer 4,25 Quadratkilometer kleinen Heimat. Die nahezu unbewohnte Insel ist zudem 19 Kilometer vom nächsten Festland entfernt – das verhindert den Zuzug fremder Spatzen. Seit über zehn Jahren werden sämtliche Tiere auf der Insel erfasst und beringt. Die Forscher entnahmen ihnen auch Blutproben, um die Verwandtschaftsbeziehungen durch genetische Untersuchungen zu bestimmen. Auf diese Weise entstand ein einzigartiger Stammbaum, der das genaue Alter und die Anzahl der Nachkommen jedes einzelnen Tiers umfasst.
Die statistischen Auswertungen kamen zu dem Ergebnis: Ein hohes Alter der Weibchen wirkt sich negativ auf den Fortpflanzungserfolg ihrer Töchter aus – sie produzierten vergleichsweise wenige Nachkommen. Einen ähnlichen Zusammenhang gab es auch bei den Männchen: Alte Spatzenväter produzierten Söhne, die selbst weniger Nachkommen hervorbrachten, zeigten die Auswertungen der Langzeit-Daten.
Epigenetik heißt das Stichwort
„Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Konstitution der Eltern, im Laufe der Jahre durch sogenannte epigenetische Prozesse ändern kann“, erklärt Schroeder. Es ist bereits seit einiger Zeit klar, dass nicht nur der genetische Code die Veranlagung eines Lebewesens bestimmt, sondern auch Schalter-Moleküle, die auf dem Erbgut sitzen. Diese sogenannten epigenetischen Faktoren können sich im Laufe des Lebens verändern und auch an die nächste Generation weitergegeben werden. Die aktuellen Ergebnisse belegen nun erneut, dass sich dies negativ auf die Fitness von Nachkommen älterer Individuen auswirken kann.
Konsequenzen für Zuchtprogramme bedrohter Arten?
Im Bezug auf den Menschen erscheint dies bedenklich, da ein Trend vorliegt, immer später im Leben Kinder zu bekommen. Doch auch für den Naturschutz könnten sich Konsequenzen ergeben, sagt Schroeder: „Die Ergebnisse sind möglicherweise auch für Brutprogramme gefährdeter Arten wichtig, bei denen oft ältere Tiere aus verschiedenen Populationen verwendet werden, um eine genetische Variabilität aufrechtzuerhalten“, sagt die Forscherin. Man sollte demnach aufpassen, sich dabei keine Population mit reduzierter Fitness heranzuzüchten.
Quelle: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1422715112