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Und es wird jetzt immer heißer …

Blog von der Klimakonferenz in Doha

Und es wird jetzt immer heißer …
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© Philipp Wininger - Fotolia.com
Schlussbetrachtung: Die Klimakonferenz ist im Großen und Ganzen gescheitert. Daran ist nicht zuletzt Europa schuld, aber auch Russland. In Katar hat sich zudem gezeigt, wie Menschen eben ticken. Von Sylvia Ratzlaff

Auf einmal geht alles rasend schnell

Am nächsten Morgen ist um 7.30 Uhr Start des Plenums. Als wir eintreffen, finden wir die Endtexte zu den einzelnen Verhandlungssträngen vor, die nun noch von allen Ländern akzeptiert und verabschiedet werden müssen. Später dann soll das Abschlussplenum der Convention of the Parties (COP) und des Meeting of the Parties (MOP bzw. CMP) stattfinden. In einem riesigen Saal sitzen Delegierte aus 194 Staaten zusammen mit Journalisten und den NGO-Vertretern. Stundenlang passiert nichts. Die Reihen haben sich gelichtet. Einige Verhandler aus den Delegationsteams, die zu den technischen Fragen in der ersten Wochen gearbeitet haben, sind bereits abgereist.

Gegen vier Uhr gibt die Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention, Christiana Figueres, unter deren Hut die Weltklimakonferenzen laufen, bekannt, dass alle Staaten, die sich zuvor bereit erklärt haben, die zweite Verpflichtungsperiode einzugehen, die vorläufige Unterschrift eingereicht haben. Applaus brandet auf. Dann erneut Stillstand. Gegen 18:45 Uhr eröffnet der COP-Präsident Abdullah Bin Hamad al-Attija die COP, liest die einzelnen Verhandlungsstränge vor und ruft zur Abstimmung auf. Russland wedelt mit seiner Fahne. Ablehnung und Sprechanfrage heißt das. Russland will zum Text der zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls einen neuen Kompromissvorschlag unterbreiten. Auf einmal geht alles rasend schnell. Der COP-Präsident übersieht geflissentlich den Widerstand Russland und liest weiter die einzelnen Verhandlungsstränge vor. Dann verkündet er, alle Beschlüsse seien angenommen worden – hiermit sorgt er für ordentlich Applaus im Raum. Die Protestrufe der Russischen Föderation gehen in der allgemeinen Freude über das Ende unter. Im Anschluss haben die Staaten das Recht weitere Kommentare abzugeben und al-Attija erklärt sich lediglich bereit, den Protest Russlands im Protokoll zu vermerken, das Ergebnis aber sei final. Damit ist die COP18 in Doha zu Ende. Es ist sieben Uhr abends.

Vor Ort hat man das Gefühl, in einer Blase zu leben

Eines ist klar: Gemessen an den Erwartungen ist die Konferenzbilanz enttäuschend, gemessen an den Herausforderungen des Klimawandels ist sie vernichtend. Wir steuern auf eine Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur von 4 bis 6 Grad Celsius zu, mit unüberblickbaren Folgen. Die Treibhausgasemissionen sind so hoch wie nie zuvor und werden weiter steigen. Neue ambitioniertere Emissionsreduktionen standen beim Konferenzmarathon erst gar nicht auf der Tagesordnung. Die Einigung auf ein konkretes Jahr, in dem der Scheitelpunkt der weltweiten Treibhausgasemissionen erreicht sein muss, wurde ein weiteres Mal verschoben. Laut WWF müsste dieses „Peakjahr“ um 2015 herum sein, damit die globale Durchschnittstemperatur die Schwelle von zwei Grad Celsius nicht überschreitet.

Die EU als eine der größten Länderblöcke, die bei der zweiten Phase des Kyoto-Protokoll teilnehmen, nimmt sich bis 2020 quasi eine achtjährige Auszeit von weiteren Verpflichtungen zu Emissionsreduktionen. Sie haben ihr angegebenes Ziel für 2020  bereits heute erfüllt. Die Klimafinanzierung in Entwicklungsländern wird weitergeführt, doch die Zusagen der Industrieländer sind bescheiden und die Mechanismen vage. Ein verbindlicher Finanzierungsfahrplan mit klaren Zwischenzielen für die kommenden Jahre wurde nicht definiert, der grüne Klimafonds bleibt leer. So können die ärmsten Entwicklungsländer keine langfristigen Klimaschutzmaßnahmen ergreifen und sich selbst vor den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels schützen.

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Die Verhandlungen und Themen in Doha sind so hochkomplex, dass man vor Ort das Gefühl hat, in einer Blase zu leben. Erfolge und Misserfolge eines Tages sind nur schwer nach außen zu vermitteln. Viele kleine technische Details und Prozesse in komplexen Gesetzestexten wurden hin und her gewendet. Letztendlich kann man nur feststellen, dass auch hier sich zeigt, wie Menschen eben ticken. Wir sind in der Regel bequem und warten gerne erst mal ab – auch wenn die Kosten des Nicht-Handelns später einmal grausam und ungeheuer hoch sein könnten. Natürlich spielt die Frage der Gerechtigkeit hier eine ganz große Rolle: Die Staaten, die massiv zum Klimawandel beitragen, da ihre Wirtschaft und ihre Entwicklung auf fossilen Brennstoffen beruht, gehören zu den reicheren der Welt. Sie meinen, sie können es sich leisten noch weiter abzuwarten und den Kopf in den Sand zu stecken. Die Folgen davon spüren vor allem zuerst die Entwicklungsländer, die an der Herausforderung Klimawandel straucheln könnten.

Sylvia_Ratzlaff_250.jpgZur Autorin
Sylvia Ratzlaff arbeitet für den WWF Deutschland. Aus Doha berichtet sie für natur.

Bild oben: © Philipp Wininger – Fotolia.com
Bild links: Sylvia Ratzlaff

© natur.de – natur Gastautor
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