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Unglaubwürdige Fangzahlen

Japans Schummelei bei Walfang-Statistiken

Unglaubwürdige Fangzahlen
Japanischer Walfänger
Ein Zwergwal mit Kalb wird 2008 an Bord eines japanischen Fabrikschiffs gezogen - angeblich nur zu "Forschungszwecken". (Foto: Australian Customs and Border Protection Service / CC-by-sa 3.0 au)
Groß angelegte Schummelei: Forscher haben aufgedeckt, dass Japan Ende der 60er Jahre ihre Walfang-Statistiken in großem Stil gefälscht haben. Nach Ansicht der Biologen spricht vieles dafür, dass die Fangstatistiken ohne Kontrolle auch heute nicht sonderlich verlässlich sind.

Bevor der kommerzielle Walfang 1986 durch die Internationale Walfangkommission IWC verboten wurde, brachte er die Pottwal-Bestände im Nordpazifik an den Rand der Ausrottung. „Allein im 20. Jahrhundert wurden mehr als 670.000 dieser Wale getötet, davon 315.000 im Nordpazifik – vornehmlich durch Japan und die Sowjetunion“, berichten Yulia Ivashchenko und Phillip Clapham vom National Marine Mammal Laboratory in Seattle.

Die Walfang-„Bombe“

Dabei gab es auch schon vor dem Walfang-Moratorium der IWC durchaus Vorschriften. Nach diesen durften nur Pottwale einer Mindestlänge von 11,6 Metern gefangen werden, außerdem verpflichteten sich die Mitglieder, ihre Fangzahlen und die Längen der Tiere nach jeder Saison zu melden. Lange galten diese offiziellen Fangstatistiken auch als verlässlich.

Doch 1990, nach Zusammenbruch der Sowjetunion, platzte die Bombe: Aus geheimen Dokumenten ging hervor, dass die Sowjetunion bis Ende der 70er Jahre knapp 180.000 Pottwale illegal gefangen hat. Die offiziellen Fangzahlen wurden systematisch gefälscht, um dies zu kaschieren. Nachdem dies herausgekommen war, wurden auch die japanischen Fangzahlen überprüft und es gab erste Berichte von ebenfalls gefälschten Statistiken einiger küstennaher Walfangstationen in Japan.

Wie verlässlich sind Japans Fangstatistiken?

„Aber trotz dieser Hinweise hat es bisher keine Untersuchung darüber gegeben, wie verlässlich die Fangzahlen der japanischen Hochsee-Walfangflotte waren und sind“, berichten die Biologen. Stattdessen beteuerten noch 1999 japanische Mitglieder der Internationalen Walfang-Kommission: „Die pelagischen Fangstatistiken Japans sind korrekt.“

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Dass dies zumindest für die Vergangenheit eine eindeutige Lüge ist, weisen Ivashchenko und Clapham nun in ihrer Studie nach. Die Forscher haben sich dafür die Tatsache zunutze gemacht, dass die sowjetischen Fangflotten Ende der 60er Jahre im gleichen Gebiet operierten wie die japanischen. Dadurch konnten sie die mittlerweile aufgetauchten echten Fangstatistken mit den offiziellen Angaben der Japaner abgleichen.

Eindeutig gefälscht

Dabei ergaben sich klare Diskrepanzen: In der Saison 1968/69 töteten illegale sowjetische Walfänger im Nordpazifik 12.578 weibliche Pottwale, von denen nur gut sechs Prozent das vorgeschriebene Fanglimit von 11,6 Metern Länge erreichten. Die offiziellen japanischen Statistiken listen dagegen 1.568 Pottwale, von denen angeblich 97 Prozent die Minimallänge erreicht hatten. „Damit war der Anteil der ausreichend großen Tiere in den japanischen Fängen angeblich 15 Mal größer als in den sowjetischen“, konstatieren die Forscher.

Ihrer Ansicht nach lässt dies nur einen Schluss zu: Japan hat seine offiziellen Statistiken systematisch gefälscht. „Dass die japanischen Walfänger so viele große Weibchen in kurzer Zeit fingen und das, nachdem die sowjetischen Walfangflotte im Gebiet schon aktiv gewesen war, ist einfach nicht glaubwürdig“, so Ivashchenko und Clapham.

„Wir vermuten, dass sie in Wirklichkeit ebenso viele kleinere Wale fingen wie die sowjetischen Schiffe, diese aber nicht angaben.“ Für einen solchen Betrug spreche auch, dass selbst japanische Biologen die gefangenen Wale nicht messen durften und Besuche internationale Beobachter absichtlich vereitelt wurden.

Und heute?

Auch wenn diese Ereignisse schon Jahrzehnte her sind, haben sie Auswirkungen bis heute. Denn die damaligen Fangzahlen sind wichtig, um die ursprüngliche Populationsgröße der Pottwale korrekt einzuschätzen und auch das Ausmaß ihres Rückgangs. „Die systematischen Fälschungen haben schwere Auswirkungen auf die Verlässlichkeit der Daten, die für heutige Populationsschätzungen eingesetzt werden“, erklären die Forscher.

Gleichzeitig aber wirft dies auch kein gutes Licht auf die generelle Verlässlichkeit der offiziellen Walfang-Statistiken. „Die offensichtliche Leichtigkeit, mit der Fangdaten gefälscht wurden, demonstriert, dass die Versuchung zum Betrug auf diesem Gebiet zu groß ist, wenn es keine adäquaten Überwachungsmaßnahmen gibt“, meinen die Biologen. Das unterstreiche die Notwendigkeit von transparenten und unabhängigen Inspektionen – auch in anderen Bereichen der Fischerei.

„Nur für Forschungszwecke“

Ob Japan auch heute noch illegalen Walfang praktiziert, bleibt offen. Allerdings ist auch ihre offizielle Walfangpraxis extrem umstritten. Seit dem Verbot des kommerziellen Walfangs nutzt Japan ein Schlupfloch in den IWC-Bestimmungen und setzt den Fang von Walen zu angeblich wissenschaftlichen Zwecken fort. Die Ausnahmeregelung erlaubte ihnen die Tötung von bis zu 1000 Zwergwalen und 50 Finnwalen pro Jahr. Viele davon wurden in antarktischen Gewässern gefangen, ihr Fleisch wird in Japan verkauft.

Anfang 2014 stufte ein Urteil des Internationalen Gerichtshof in Den Haag diesen vermeintlich wissenschaftlichen Walfang der Japaner als illegal ein. Dem zum Trotz hat die japanische Regierung vor wenigen Wochen angekündigt, erneut eine Walfang-Expedition in die Antarktis zu entsenden. Laut ihrem neuen Walfangprogramm sollen bis 2027 gut 300 Zwergwale getötet werden – immerhin deutlich weniger als bisher.

Quelle: Royal Society Open Science, doi: 10.1098/rsos.150177

© natur.de – Nadja Podbregar
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