Mit dem „Thermometereffekt“ haben Experten bislang durchaus schon gerechnet: Man ging davon aus, dass der Meeresspiegel durch die wärmebedingte Ausdehnung zusätzlich zum Effekt des Schmelzwassers um 0,7 bis 1,0 Millimeter jährlich ansteigt. Doch mit diesen Werten lag man deutlich daneben, berichten nun die Forscher um Roelof Rietbroek von der Universität Bonn. Ihre Berechnungen anhand von Satellitendaten der letzten zwölf Jahre ergaben: Die thermische Ausdehnung verursachte einen Anstieg um 1,4 Millimeter jährlich – also fast doppelt so viel wie zuvor angenommen. „Dieser Unterschied entspricht in etwa dem Effekt des Doppelten des abschmelzenden grönländischen Eisschildes“, betont Rietbroek.
Bedrohung regional unterschiedlich
Den Forschern zufolge variiert der Meeresspiegelzuwachs durch die unterschiedliche Volumenausdehnung in den verschiedenen Ozeanregionen stark. „In den besonders tiefen Ozeanregionen reicht bereits eine kleine Erwärmung aus, um einen deutlichen Meeresspiegelanstieg hervorzurufen“, sagt Rietbroek. Die Philippinen halten mit rund 15 Millimetern jährlich den Rekord, zeigten die Auswertungen. An der Westküste der USA gibt es hingegen kaum Anstieg, weil es dort zu eher wenig Meerwassererwärmung kommt, erklären die Wissenschaftler.
Demzufolge ist nicht nur der globale Meeresspiegelanstieg bedrohlich – besonders von Fluten betroffen sind Küstengebiete, wo die regionalen Änderungen größer sind. „Wegen ein paar Millimeter mehr wird kein Land seine Deiche höher bauen“, so Rietbroek. „Allerdings summieren sich diese kleinen Beträge in Jahrzehnten zu etlichen Zentimetern. Die Wahrscheinlichkeit einer zerstörerischen Sturmflut könnte damit drastisch zunehmen“, warnt der Wissenschaftler. Deshalb sollte man die thermische Ausdehnung besser im Auge behalten. „Die physikalischen Ausdehnungsprozesse in der Tiefsee sind bisher nur mangelhaft berücksichtigt“, sagt Rietbroek.
Mehr Beachtung des „Thermometereffekts“!
Die Forscher empfehlen nun, bei künftigen Satellitenmissionen die wärmebedingte Ausdehnung der Weltmeere gezielt ins Visier zu nehmen. Außerdem lohne sich ein erneuter Blick auf Messdaten der Vergangenheit. Entsprechende Ergebnisse könnten detailliertere Einblicke ermöglichen, in welchem Ausmaß Veränderungen des Höhenniveaus der Ozeane auf menschlichen Einfluss zurückzuführen sind und welcher Anteil an natürlichen Ursachen liegen könnte.
Den Forschern zufolge eignet sich der Thermometereffekt außerdem generell besonders gut zur Überwachung der teils komplexen Effekte des Klimawandels: „Der Anstieg des Meeresspiegels ist weit weniger durch natürliche Schwankungen überlagert als der Anstieg der globalen Temperaturen, und damit ein verlässlicherer Indikator des Klimawandels“, sagt Rietbroek.
Quelle: Universität Bonn