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Von der Felswand ans Mittelmeer

Fernwanderung über die Alpen

Von der Felswand ans Mittelmeer
Alpenüberquerung Christof Herrmann
Alpenüberquerung Christof Herrmann
Zu Fuß möglichst nachhaltig und noch dazu vegan über die Alpen – so der Plan von Blogger Christof Herrmann. Mitte August hat er sich auf den Weg von Salzburg nach Triest gemacht. Inzwischen ist er in Italien angekommen, hat schon von weitem das Mittelmeer gesehen und spürt so langsam die Erschöpfung. Ein Bericht der letzten fünf Tage.

Nach anfänglichem Morgennebel wandern wir bei Sonne und blauem Himmel über die Südhänge des Prisojnik auf den 2601 Meter hohen Razor zu. Unter dessen Westwand picknicken wir. Ich esse mal wieder Couscoussalat, diesmal mit getrockneten Früchten und einer Dose Gemüse und Hülsenfrüchte. Mittlerweile sind auch die drei anderen süchtig danach und probieren immer wieder neue Couscous-Kombinationen aus unseren Vorräten aus.

Danach steigen wir steil über die Westwand des Razor zum Sattel Sedla Planja auf. Das Eisfeld ist zusammengeschmolzen und bereitet uns keine Probleme. Der Pfad hingegen ist ausgesetzt, mehrmals mit Stahlseilen und Trittstiften versichert. Einmal geht es gar über eine kurze Leiter senkrecht an einer Felswand empor. Bei gutem Wetter ist die Etappe aber für trittsichere und schwindelfreie Alpenüberquerer gut machbar. Die Ausblicke auf die Berge des Triglav Nationalparks und hinab ins Soca-Tal sind unvergesslich.

Die Kraft lässt nach

Am Sattel steigen Marcus, Sebastian und ich zur Pogačnikov dom ab. Nach fast drei harten Wochen gehen wir freiwillig keinen Meter extra. Peter ist eine Woche später eingestiegen und hat noch Kraft in den Beinen, auf den Gipfel des Razor zu steigen.

In der Hütte werden wir freundlich aufgenommen. Nachdem wir die letzten beiden Nächte fast die einzigen Gäste waren, ist heute mehr los. Die meisten sprechen slowenisch oder andere osteuropäische Sprachen. Vegan sind auf der Speisekarte die Gemüsesuppe und die Beilage Polenta. Ich bestelle beides, mische es und kreiere eine köstliche Gemüse-Polenta-Suppe.

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Über die Alpen 1

20. Tag: Von der Pogačnikov dom (Slowenien) zur Koča pri Triglavskih jezerih (Slowenien). Etappenlänge 22 Kilometer, 1500 Höhenmeter Aufstieg, 1865 Höhenmeter Abstieg.

Es wird eine lange Etappe auf schwierig zu gehenden Wegen. Längst plagen uns alle Wehwehchen und wir sehnen uns, die Alpen hinter uns zu lassen. Bei mir sind es die Knie, die bei den steilen Abstiegen und den Schritten über den felsigen Untergrund schmerzen. Früher hätte ich nie gedacht, dass ich mich mal über Aufstiege freue.

Würden uns die Julischen Alpen nicht so begeistern, hätten wir uns schon längst ausfliegen lassen. Bei bestem Wanderwetter geht es zunächst hinauf zum Sattel Dovška vratca, von dem wir zum ersten Mal den Triglav, Sloweniens Nationalheiligtum und mit 2864 Metern höchsten Berg des Landes sehen. Unterhalb dessen gewaltiger Wand gelangen wir zur Koča na Doliču. Mehrmals begleiten uns Steinböcke und Gämsen.

Üppige Natur im Winnetou-Tal

Marcus und Sebastian sind uns zu diesem Zeitpunkt entschwunden. Ich laufe die Etappe mit Peter zu Ende. Über einen weiteren Pass, den vierten an diesem Tag, gelangen wir ins Sieben-Seen-Tal. Nach der bizarr-kargen Bergwelt zuvor, blüht es hier plötzlich üppig und umschwirren uns Insekten. Bekannt ist das Tal auch, weil hier Szenen der Winnetou-Filme gedreht wurden.

Wir wundern uns also nicht, dass die Unterkunft recht voll ist und wir nur noch einen Platz im großen Schlafsaal bekommen. Ich werde wie meist nach langen Bergetappen gut schlafen. Vielleicht starten wir aber morgen noch eher als heute. Peter, Marcus und Sebastian haben sich in den Kopf gesetzt in einem Rutsch bis nach Tolmin zu marschieren. Ich halte das für eine Schnaspsidee. Die Aussicht auf die Annehmlichkeiten einer Stadt und eines Hotelzimmers wirken aber auch auf mich verlockend.

Über die Alpen 2

21. Tag: Von der Koča pri Triglavskih jezerih (Slowenien) nach Tolmin (Slowenien). Etappenlänge 32 Kilometer, 1000 Höhenmeter Aufstieg, 2460 Höhenmeter Abstieg.

Ein letztes Mal wandern wir durch den Triglav Nationalpark, der Garant für eine Bergwelt ohne Skilifte, Weidewirtschaft und Bebaung ist. Kurz nach neun sind wir an der Dom na komni. Es ist bereits warm genug, um etwas auf der Sonnenterasse zu trinken.

Danach geht es weiter durch eine Landschaft, die mich immer wieder an die Winnetou-Filme erinnert. Wir vier Indianer steigen ein letztes Mal auf über 1800 Meter. Im Blick zurück thront der Triglav über allen anderen Bergen.

Schließlich stehen wir auf dem Globoko. Tief unter uns ist Tolmin zu sehen. Dahinter breitet sich die bewaldete Hügelllandschaft aus, die wir in den nächsten beiden Tagen durchstreifen werden. Und am Horizont können wir zum ersten Mal das Mittelmeer ausmachen (siehe Foto). Der Golf von Triest scheint zum Greifen nah. Dieser erhabene Moment sollte die müdesten Fernwanderer motivieren, die fünf Etappen bis Triest durchzustehen.

Endlich: Die Alpen überquert

Der weitere Abstieg ist lang und beschwerlich. Der Gang meiner Mitwanderer erinnert mich an alte Männer am Krückstock. Ich schlage im Scherz vor, dass wir versuchen sollten, zumindest am Etappenziel würdevoll durch die Straßen zu schreiten. Trotz der nicht enden wollenden Qual gelingt es mir, den Laubwald, die Ausblicke und die Tolminka-Schlucht zu genießen.

Gegen 18 Uhr, nach über elf Stunden, 1000 Metern Aufstieg und fast 2500 Metern Abstieg sind wir in Tolmin. Wir haben den Nationalpark, die Julischen Alpen und die Alpen überquert! Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Wir nehmen uns für 26 Euro Einzelzimmer im Hotel, duschen und stürzen uns ins Nachtleben. Sonderlich tief fallen wir nicht. Die Strapazen der letzten Etappen stecken uns in den Knochen. Auch kommt mir alles Städtische nach einer Woche in den Bergen befremdlich vor.

Über die Alpen 3

22. Tag: Von Tolmin (Slowenien) nach Tribil di Sopra (Italien). Etappenlänge 20 Kilometer, 1100 Höhenmeter Aufstieg, 683 Höhenmeter Abstieg.

Trotz Einzelzimmer und guter Matratze schlafe ich schlecht. Keine hundert Meter von unseren Zimmern entfernt findet eine Musikfestival statt. Bis zwei Uhr nachts brüllen sich slowenische Coverbands durch die Rockhits der letzten 20 Jahre.

Am Morgen kriegt die Hotelangestellte beim Frühstück so wenig auf die Reihe, dass ich nur eine Scheibe Brot abbekomme. Vermutlich stand sie (die Hotelangestellte, nicht die Scheibe Brot) bis zum Ende des Musikfestivals vor der Bühne.

Unsere Route führt uns heute durch große Laubwälder und verschlafende Bergdörfer. Durch den vielen Regen der letzten Wochen grünt und blüht es überall. Es duftet mediterran.

Auf Wiedersehen Slowenien

Auch wenn wir die Alpen hinter uns gelassen haben, sammeln wir reichlich Höhenmeter. Am frühen Nachmittag ist es Zeit, Slowenien „nasvidenje“ zu sagen . Bis nach Triest werden wir italienischen Boden unter den Füßen haben, auch wenn das Nachbarland immer wieder in Sichtweite ist.

Über die Alpen 4

23. Tag: Ruhetag in Tribil di Sopra (Italien)

Heute Morgen spricht einfach zu viel dafür, einen Ruhetag einzulegen:

1. Ich bin erkältet.

2. Es regnet.

3. Ich bin in 22 kräftezehrenden Tagen 25 Etappen gegangen.

4. Die Nacht im Einzelzimmer mit Halbpension kostet in der Pension Alla Rosa dei Venti unschlagbare 33 Euro.

Das einzige Manko ist, dass ich meine drei Begleiter ziehen lassen muss. Mit Marcus bin ich seit der ersten Etappe die meiste Zeit gewandert, mit Sebastian seit der zweiten und mit Peter seit der siebten. Nach dem Frühstück verabschieden wir uns voneinander. Wir werden uns zumindest auf dieser Tour nicht wieder sehen. Die restlichen rund fünf Etappen bin ich auf mich allein gestellt. Ich verbringe ja gerne Zeit mit mir. Aber nach 23 Tagen in Gesellschaft wird es eine Umstellung sein.

Spazieren statt wandern

Der Tag geht schnell rum. Ich schlafe ein paar Stunden, bringe meine Ausrüstung auf Vordermann, lerne etwas italienisch, lese zum ersten Mal seit drei Wochen gezielt Nachrichten im Internet (und stelle fest, dass ich nicht viel verpasst habe) und spaziere durchs Dorf, das in einer hügeligen waldigen Region liegt (siehe Foto, in dem roten Haus residiere ich).

Abends werde ich von Elisabetta in der Wohnküche kulinarisch verwöhnt. Es gibt Minestrone, Salat, gedünstete Zucchini mit Brot und zum Abschluss einen Espresso. Es schmeckt wie bei Mama! Das Ehepaar aus Dresden, das ein paar Tage auf dem Alpe AdriaTrail wandert, bekommt noch Käse und Parmaschinken.

 

Christof Herrmann Christof Herrmann

Auf seiner Seite Einfach bewusst bloggt er über Minimalismus sowie Nachhaltigkeit im Alltag und auf Reisen. Er hat einen kostenlosen E-Book-Wanderführer „Forchheim – München – Venedig: Zu Fuß nach Südbayern & über die Alpen ans Mittelmeer“ geschrieben. Über seine diesjährige Salzburg-Triest-Wanderung berichtet er auf Facebook.

Fotos: Christof Herrmann  

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