Mit gewaltigen Flossenschlägen befördern sich die bis zu 100 Tonnen schweren Atlantischen Nordkaper ( Eubalaena glacialis) kraftvoll durchs Wasser – ein paar Anhängsel fallen dabei nicht großartig ins Gewicht, könnte man meinen. Doch das ist leider nicht der Fall: Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass der andauernde Bremseffekt oft zum Tod der Tiere führt. Die Nordkaper sind von dieser Bedrohung besonders betroffen, da sie sich oft in von Fischern genutzten Küstenregionen aufhalten und sich entsprechend häufig etwas einfangen. Es handelt sich bei dieser Walart um eine der gefährdetsten unter den Bartenwalen. Im Gegensatz zu anderen Arten konnten sie sich nur kaum vom Gemetzel der Walfang-Ära erholen: Einst bevölkerten sie mit Bestandsdichten von geschätzten 100.000 Tieren den Nordatlantik. Heute gibt es noch rund 450 Individuen, die sich meist vor der Ostküste Nordamerikas aufhalten.
Die Meeresforscher der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) setzen sich bereits seit Jahren engagiert für das Überleben der sanften Riesen ein. Dies schließt auch Aktionen ein, bei denen sie Wale von ihren lebensbedrohlichen Anhängseln befreien. Nun haben sie gezielt Experimente durchgeführt, um Informationen zu sammeln, wie hoch die Schwimmbelastung durch bestimmte Arten von Anhängseln ist. Dazu nahmen sie teils Originalgegenstände ins Schlepptau von Versuchsschiffen, die sie zuvor bei Walen entfernt hatten. Mit Messgeräten erfassten sie, wie stark die Zugbelastungen bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten sind.
Wie stark zerrt das Zeug?
Die Ergebnisse belegten, warum Bojen und Hummerfallen im Schlepptau am schlimmsten sind: Der Wasserwiderstand beim Schwimmen kann sich verdreifachen, was für das betroffene Tiere auf Dauer natürlich katastrophale Folgen hat. Die Forscher berechneten auch, welche zusätzlichen Energiekosten typischerweise beim behinderten Schwimmen entstehen. „Verstrickte Tiere müssen manchmal das Doppelte an Energie aufwenden, um eine bestimmte Geschwindigkeit zu halten“, sagt Julie van der Hoop. Klar wurde bei den Untersuchungen auch: Ein angehängtes Seil mit einer Länge von zehn Metern hat nur relativ wenig Bremseffekt. Mit zunehmender Länge steigt er aber deutlich. Praktisch bedeutet dies: Wenn man eine Leine um 75 Prozent kürzt, kann man beispielsweise die Belastung des Tieres um 85 Prozent verringern, sagen die Forscher.
Informationen für Hilfsaktionen
Die Ergebnisse können nun zur Klärung der Frage beitragen, welche Befreiungsmaßnahmen am besten zu den Überlebenschancen eines Wales beitragen können. Klar ist dabei: Die Meeresbiologen müssen bei ihren Aktionen überlegt vorgehen und gut kalkulieren, welchem Tier sie wie helfen, denn die Maßnahmen sind aufwändig und riskant. Doch die Nordkaper sind es ihnen offenbar wert: Sie hoffen, dass ihre Bemühungen dazu beitragen, dass sich die Bestände der faszinierenden Meeresriesen doch eines Tages wieder erholen.
Quelle: Woods Hole Oceanographic Institution