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Was wird aus dem Bodensee?

Fracking

Was wird aus dem Bodensee?
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Bodensee © TrudiDesign - Fotolia.com
Seit Monaten diskutieren die Parteien über „Fracking“, der Förderung von Schiefergas durch Aufsprengen des Gesteins. Umweltverbände sehen die geplante Neuregelung im Wasserhaushaltsgesetz als problematisch an und befürchten erhebliche Schäden für die Umwelt – nicht zuletzt für die Umgebung des Bodensees. Ein Gastkommentar von Gerhard Bronner und Wilhelm Schloz vom Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg

Dennoch kann nach Auffassung vieler Umweltverbände auf die Nutzung der Tiefen Geothermie nicht verzichtet werden, wenn hohe Sicherheitsstandards – Verwendung von Wasser ohne chemische Zusätze und angepasste Steigerung des Drucks – eingehalten werden.

Anders sieht es beim Fracking zur Gewinnung von „unkonventionellem“ Erdgas aus. Unkonventionell heißt es deshalb, weil dieses Gas nicht in geologischen „Gasfallen“ aus porenreichem Gestein unter einem dichten „Dach“ vorliegt und nach dem Anbohren ausströmt, sondern in geringdurchlässigem Gestein (oder “Schiefer“) so eingeschlossen ist, dass es erst durch Fracking freigesetzt werden kann. Dazu sind zahlreiche, zum Teil horizontal abgelenkte Bohrungen erforderlich. 

Dem Fracking-Wasser wird ein Gemisch aus Sand und Chemikalien „geheimer Rezeptur“, aber zweifellos hoher Umweltschädlichkeit zugesetzt. Dieses Frackingwasser bleibt nur teilweise im Gestein. Es fließt in den Bohrungen zurück (Flow-back) und muss aufgefangen und entsorgt werden. Dabei bestehen zahlreiche Gefahrenpunkte: Austritte oder Beseitigung von nicht oder nur unzureichend gereinigtem Frackingwasser durch technische Mängel (oder vorsätzlich) in die Oberflächengewässer, Austritte aus undichten Bohrungen oder über gefrackte Fließwege im Untergrund in das Grundwasser und darin unkontrollierter Abfluss zu Quellen, in Vorfluter oder in genutzte und nutzbare Grundwasservorkommen (Heilquellen, Thermalwasser, Mineralwasser oder  Trinkwasser). Zudem kann das Erdgas selbst in das Grundwasser gelangen und dieses kontaminieren.

Katastrophale Klimabilanz

Aber bei dieser massiven Umweltgefährdung geht es nicht um die Nutzung regenerativer Energie, sondern um fossiles Erdgas. Wenn Anteile des Methans über technische Leckagen oder unkontrollierte unterirdische Fließwege freigesetzt werden, hat diese Energie eine katastrophale Klimabilanz.

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Wie unkalkulierbar die Risiken durch Fracking zur Gasgewinnung sind, belegt eine umfangreiche Studie des Umweltbundesamtes. Die Studie arbeitet die Risiken heraus und kommt zu dem Schluss, dass diese nicht einschätzbar sind. Das gilt auch für deren technische Beherrschbarkeit. Nachhaltige Rohstoffgewinnung setzt aber voraus, dass langfristige Risiken und Schäden mit Sicherheit (viel) geringer sind als ein kurzfristiger Nutzen und wirtschaftlicher Gewinn.

Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV) als Dachverband der baden-württembergischen Umweltverbände und die Bodensee-Stiftung haben sich deshalb kürzlich gegen das Fracking zur Erdgasgewinnung in Oberschwaben ausgesprochen. Sie begründen dies nicht nur mit ökologischen Argumenten, sondern auch ökonomisch. Fracking sendet mit seiner Versprechung „billige Energie“ falsche wirtschaftliche Signale und verhindert eine nachhaltige Ausrichtung der Wirtschaft. Genau das ist momentan in den USA zu beobachten. 

An den grundsätzlichen Argumenten für eine Energiewende in Deutschland ändern die sogenannten unkonventionellen Erdgasreserven nichts: Erdgas ist weiterhin eine endliche Energiequelle, deren Nutzung  zum Klimawandel beiträgt. An der Abkehr von fossilen Brennstoffen führt kein Weg vorbei. Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, den Menschen vorzugaukeln, Fracking würde über billige Energiepreise die deutsche Wirtschaft absichern.

Andersherum wird ein Schuh draus: Die Zukunft gehört den Erneuerbaren und der Energieeffizienz, und wir haben die Aufgabe, unsere Wirtschaft daran auszurichten. Eine unnötige Verlängerung der Brückentechnologie Erdgas ist hierzu nicht nötig und verspielt nur unsere Zukunftschancen. LNV und Bodensee-Stiftung sind sich deshalb einig, dass Fracking keine Option ist: Auch und ganz besonders nicht in der sensiblen Bodenseeregion, die Trinkwasser für über 4 Millionen Menschen bereit stellt. LNV und Bodensee-Stiftung werden in Zukunft gemeinsam ein wachsames Auge auf Entwicklungen in Sachen Fracking haben.

Umgebung des Bodensees gefährdet

Aber sorgt die von der Bundesregierung vorgesehene Gesetzesänderung nicht für mehr Sicherheit, indem sie Fracking in Wasserschutzgebieten generell ausschließt? Vordergründig: Ja. Tatsächlich sind aber bei weitem nicht alle genutzten Wasservorkommen durch Wasserschutzgebiete gesichert.

Die Umgebung des Bodensees beispielsweise ist überwiegend kein Wasserschutzgebiet, obwohl das dort versickernde und oberirdisch abfließende Wasser in diesen wichtigsten Trinkwasserspeicher Europas gelangt. Außerdem geht es nicht nur um Trinkwasser: Wasser ist ein Bestandteil des Naturhaushaltes, und auch die nichtmenschliche Natur hat Anspruch auf sauberes Wasser.

In Oberschwaben bestehen zahlreiche, bis über 1000 m tiefe Tiefbrunnen, die  Mineralwasser zum Trinken oder Thermalwasser zum Baden erschlossen haben. Obwohl diese Wässer der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Menschen dienen, sind nur wenige davon als Heilquellen staatlich anerkannt und es sind keine Heilquellenschutzgebiete ausgewiesen.

Kommt es nun zu großflächigen Anträgen auf Fracking in den Kohlenwasserstoff-Konzessionsgebieten (siehe Karte) besteht nach dem geplanten „Fracking-Gesetz“ kein automatischer Schutz, da dieser ja nur für (Trink)Wasser- und für Heilquellenschutzgebiete vorgesehen ist. Für jedes der Mineral- und Thermalwässer müsste die Gefährdung durch Fracking einzeln beurteilt werden. Ein mühsames und zusätzlich gefährliches Unterfangen, denn der Kenntnisstand über den Untergrund reicht für derartige, sichere Prognosen und für eine solche Beweis-Umkehr keinesfalls aus.

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Mittlerweile hat sich deutschlandweit eine starke Bewegung gegen das Fracking – und auch gegen die Pläne der Bundesregierung – entwickelt. SPD und Grüne aus der Bodenseeregion haben sich früh gegen das Fracking positioniert. Inzwischen haben sich auch die CDU-Bundestagsabgeordneten der Bodenseeregion angeschlossen. Sie fordern eine Erweiterung der von ihrer eigenen Partei vorgelegten Fracking-Regelung dahingehend, dass Fracking nicht nur in Wasserschutzgebieten, sondern auch in anderen für die Gewinnung von Trinkwasser und  hochwertigen Grundwässern (Mineral- und Thermalwässer) genutzten Gebieten verboten werden soll.

LNV und Bodensee-Stiftung  begrüßen diese Einigkeit über Parteigrenzen hinweg. Fracking mit Hilfe wasserschädlicher Chemikalien muss nicht nur in ausgewiesenen Wasserschutzgebieten sondern im gesamten Wassereinzugsgebiet des Bodensees verhindert und verboten werden. Und auch außerhalb muss es strengeren Prüfungen und Kontrollen unterworfen werden als nun vorgesehen, denn auch nicht genutztes Grundwasser ist schützenswert.

Zu den Autoren
Dr. Gerhard Bronner, stv. Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg

Dr. Wilhelm Schloz, Wasserreferent des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg

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