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Weinbau im Wandel

Interview

Weinbau im Wandel
Wein_Geisenheim
Weintrauben an den Reben der Hochschule Geisenheim (Foto: Alisa Fraefel)
Wein ist ein sensibles Gewächs. Wie sehr die Folgen des Klimawandels den Pflanzen und einer ganzen Branche zusetzen werden, dem geht Weinbau-Forscher Manfred Stoll auf den Grund. Doch eines ist schon klar: Für den Wein bringt die Klimaerwärmung nicht nur Nachteile.

natur: Herr Stoll, an Ihrem Institut für Allgemeinen und Ökologischen Weinbau forschen Sie über die Folgen des Klimawandels auf den Weinbau. Welche Einflüsse konnten Sie bislang feststellen?

Wenn man über den Klimawandel redet, sind drei Faktoren wichtig: Der Anstieg der Temperatur, die Verteilung der Niederschläge und die Konzentrationsänderung der klimarelevanten Gase. Der Temperaturanstieg führt in der Landwirtschaft tendenziell zu einer Verfrühung in der Vegetation. Das heißt, wärmere Winter führen zu einem früheren Austrieb, wodurch sich die gesamte Entwicklung, also auch die Reife, zwei bis drei Wochen nach vorne schiebt. Das ist für den Weinbau insofern dramatisch, als dass das Risiko einer Schädigung durch Spätfröste sehr groß ist. Dagegen herrschen während der Reifezeit deutlich wärmere Temperaturen, weshalb mehr Zucker in die Trauben eingelagert wird. Dadurch erhöht sich das Risiko eines Sekundärbefalls durch Schaderreger und die Weinlese muss schneller erfolgen.

Wie steht es mit der Verteilung der Niederschläge? Wie wirkt sich das auf den Weinbau aus?

Wir gehen davon aus, dass sich nicht die absolute Niederschlagsmenge reduziert, sondern sich die Niederschlagsverteilung verändert. Für den Weinbau bedeutet das, dass weniger Regen in den Sommermonaten zu mehr Trockenstresstagen führt. Indirekt bewirkt dies eine Qualitätsveränderung des Weines. Vereinfacht heißt das: Weniger Wasser, weniger Wachstum, eine andere Belichtung und ein anderes Kleinklima am Stock führen zu einer Veränderung der Inhaltsstoffe. Bei roten Rebsorten wirkt sich das positiv auf den Geschmack aus, bei weißen Rebsorten, wie dem Riesling, dagegen eher negativ.

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Fehlt noch der dritte Faktor, die klimarelevanten Gase.

Bei den klimarelevanten Gasen ist das Kohlenstoffdioxid am wichtigsten. Bis 2050 ist ein Konzentrationsanstieg von circa 20 Prozent prognostiziert. Andere relevante Gase werden sogar von der Landwirtschaft indirekt selbst produziert. Lachgase oder Methan sind wesentlich reaktiver als CO 2. Die Frage ist jetzt, welche Auswirkungen dies auf die Reben hat und daran forschen wir.

Welche Auswirkungen wird der Klimawandel noch haben?

Dadurch dass mehr Starkregen fallen wird, kann es an den Hanglagen des Weinbaus zu Erosion kommen. Der Boden kann nur eine gewisse Kapazität Wasser aufnehmen. Wenn sehr viel Niederschlag auf einmal fällt, kommt es zu Hangrutschungen. Zukünftig gilt es, dies zu vermeiden. Begrünung ist eine Möglichkeit, die Kapazität des Bodens zu vergrößern. Gleichzeitig ist eine Begrünungspflanze aber eine gewisse Konkurrenz für die Weinrebe, da auch sie Wasser benötigt.

Wie sieht es mit Weinbau und High-Tech aus – gibt es da nützliche Synergien?

Ja, wir nutzen Wetterdaten, die von Satelliten erfasst werden. Der Winzer kann sich dadurch stündlich informieren, was für seine Arbeitsplanung und Pflanzenschutzstrategie unabdingbar ist. Es spielen aber auch Daten aus dem nicht sichtbaren Bereich des Lichts eine Rolle. Dabei machen wir uns den kurzwelligen, also den ultravioletten Bereich, sowie den langwelligen Nah-Infrarot-Bereich zu Nutze. Im UV-Bereich können dem Winzer über Sensoren Informationen zur Qualität seiner Rebstöcke, Rebfläche und Trauben mitgeteilt werden. Dadurch kann er Pflanzenschutzmittel einsparen und so die Umwelt schonen. Mit einer Infrarot-Kamera kann die Wärmestrahlung, die von der Blattoberfläche abgestrahlt wird, sichtbar gemacht und dazu verwendet werden, Trockenstress zu erkennen. Außerdem können Aussagen über den Chlorophyll-Gehalt getroffen werden. Da Chlorophyll eines der zentralen Pigmente bei der Photosynthese ist, können wir dadurch etwas über den Zustand der Pflanze sagen.

 

 

Manfred Stoll Weinbau

 

 

 

Dr. Manfred Stoll forscht seit 2006 am Institut für Allgemeinen und Ökologischen Weinbau in Geisenheim.

(Foto: Bilal Aslam)

 

Begünstigt der Klimawandel den Befall mit Krankheiten?

Er ist sehr anfällig für die Pilzkrankheit Mehltau, sowohl für den Falschen als auch für den Echten Mehltau. Dieser verursacht Schäden an Blättern und Trauben und führt entweder dazu, dass diese Traubenteile gar nicht mehr reifen oder ein verdorbenes Produkt erzeugen. Ob diese Krankheiten durch den Klimawandel begünstigt werden, kann man nicht sagen, da sie unter entgegengesetzten klimatischen Bedingungen auftreten. In trocken-heißen Jahren befällt der Echte Mehltau die Weinstöcke, während ein feucht warmes Jahr den Falschen Mehltau begünstigt.

Sind neue Schädlinge hinzugekommen?

Besonders in den letzten Jahren kommen tierische Schaderreger über die Alpen neu hinzu. Ein sehr hartnäckiger Schädling ist die Fruchtfliege Drosophila suzukii. Sie „bohrt“ die Beerenhaut an, wodurch sie eine Eintrittspforte für sekundäre Krankheiten schafft und nicht nur im Weinbau, sondern auch auf Obstplantagen große Schäden anrichtet.

Welche Maßnahmen erforschen Sie, damit sich Weinbauern besser anpassen können?

Die große Herausforderung ist, den globalen Klimawandel regional anzugehen. Dazu braucht man ein sehr klein aufgeteiltes Messnetz, das Wetterdaten liefert. Anhand dieser Daten können wir Modelle erstellen, die die Entwicklung vorhersagen. In Bezug auf den Weinbau sind diese Modelle für den Wasserhaushalt sehr wichtig. Um Trockenstress zu vermeiden, muss eine sehr gezielte Bewässerungssteuerung erfolgen. Da Wein besonders gut an Südhängen wächst, wo eine hohe Sonneneinstrahlung herrscht, wird das Trockenstressrisiko noch einmal weiter erhöht.

Gibt es noch weitere Möglichkeiten?

Weinbau als Dauerkultur muss überdies nachhaltig sein. Im Bereich des Anbaus haben wir unterschiedliche Erziehungssysteme. Dabei werden die Sommertriebe in ein Unterstützungssystem zu einer Laubwand eingeflochten. Die Blätter dienen als Lichtsammelfalle und Energieumwandler und sorgen dafür, dass hochwertige Trauben entstehen. So können wir das Kleinklima innerhalb eines Stockes verändern. Durch Laubarbeiten, Entblätterungsmaßnahmen und Schnittformen kann in das Beerenreifen eingegriffen werden. Eine andere Möglichkeit ist, auf rote Rebsorten oder Rebsorten aus dem Süden umzustellen. Das heißt aber nicht, dass heimische Weine verloren gehen, da jede Rebsorte eine gewisse Plastizität hat und der Winzer diese durch bewusstes Handeln erweitern kann. Durch Züchtung können auch andere Sorten ausgewählt werden, die sich den neuen Bedingungen besser anpassen. Auch beim Riesling entstehen auf diese Weise verschiedene Klone, die sich möglicherweise besser eignen.

Seit wann beeinflusst der Klimawandel den Weinbau?

Seit den letzten 15 Jahren. Wenn wir von Gewinnern und Verlierern des Klimawandels sprechen möchten, können wir mit Sicherheit sagen, dass der Weinbau von der Temperaturerhöhung hauptsächlich profitiert hat. Es wird mehr Zucker in den Trauben eingelagert, wodurch der Alkoholgehalt des Weines steigt. Gleichfalls hat sich auch der Säuregehalt reduziert, was zu harmonischeren Qualitäten führt.

Wird der Weinbau Schaden davon tragen, werden Weine ihre Besonderheit verlieren?

Ich glaube die Weinbauregionen würden nur ihre Besonderheit verlieren, wenn der Weinbau abzieht. Solange eine entsprechende Nachfrage nach einer Rebsorte, zum Beispiel dem Riesling, besteht, wird sich an diesem Wein nichts ändern. Stellen Sie sich einmal vor, Sie haben ein Weingut und müssen festlegen, welche Rebsorte Sie anpflanzen. Wenn Sie sich auf eine Sorte festgelegt haben, dann sind Sie mit der 30 Jahre „verheiratet“ und müssen sehen, wie Sie die Kinder daraus unterkriegen.

Das Gespräch führten Alisa Fraefel und Katharina Kramer.


mainrheineskllima-logo.jpg„Main Rheines Klima“
sind 15 junge Menschen, neugierige Wissenschaftsjournalisten, die das flüchtige Thema Klimawandel ein Semester lang aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Sie fragen nach, wie sich unser Lebensraum, das Rhein-Main-Gebiet, in den nächsten Jahren wandelt – mit einem ziemlich flauen Gefühl im Magen. Denn noch ist ungewiss, wie und wie sehr sich dieser Lebensraum verändern könnte.

 

Das Interview ist auch auf mainrheinesklima.com erschienen.

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