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Wenn Orcas töten

"Blackfish": Schwertwale in Gefangenschaft

Wenn Orcas töten
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Der Kinofilm „Blackfish“ erzählt die Geschichte des Orca-Bullen Tilikum. Der Schwertwal wurde vor 30 Jahren aus dem Meer vor Island gefischt und zum Show-Wal abgerichtet. Seitdem tötete das Tier mehrere Menschen. Dabei sind Orcas von Natur aus vollkommen friedfertig. Eine Erklärung von Sandra Altherr von Pro Wildlife

Zum Verhängnis werden den Schwertwalen ihr soziales Wesen und ihre Intelligenz. In freier Wildbahn leben sie in komplexen Familienverbänden, die sogar ein eigenes Vokabular entwickeln. Umso schlimmer ist es für die Tiere, wenn sie aus diesem Verbund herausgerissen und willkürlich mit anderen Orcas zusammengewürfelt werden.

Enge Becken machen die Tiere aggressiv

Hinzu kommt, dass die Gefangenschaft stark ihr natürliches Verhalten wie Schwimmen, Tauchen und Jagen einschränkt. In den engen Becken leiden die Tiere unter Reizarmut und Bewegungsmangel, und unverträgliche Tiere können sich nicht aus dem Weg gehen.

Die artwidrige Haltung und die Langeweile frustrieren die Tiere. Es ist nicht verwunderlich, dass der Stress irgendwann in Aggression umschlägt. Die Gefangenschaft macht die Orcas unberechenbar. Und wie das Beispiel von Tilikum zeigt, können sich diese Aggressionen auch gegen Menschen richten.

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Wie verheerend die Folgen sind, zeigt „Blackfish“ eindringlich. Der Film zeichnet Tilikums Leidensweg nach, von seinem Fang 1983 über sein tristes Dasein in abgedunkelten Tanks im kanadischen Sealand bis hin zu seiner jetzigen Funktion als Show-Wal und Samenspender in SeaWorld. Es ist ein Leichtes für den Zuschauer nachzuvollziehen, wie traumatisiert dieses Tier ist.

1991 ertränkt Tilikum im kanadischen Sealand offenbar gemeinsam mit zwei Artgenossen die Trainerin Keltie Byrne. Wenig später wird das Tier an SeaWorld verkauft. 1999 treibt im Becken die Leiche eines Besuchers, der sich über Nacht dort hatte einsperren lassen. Der Körper wies zahlreiche Verletzungen auf. Offizielle Todesursache war Ertrinken. Im Februar 2010 schließlich packte Tilikum die erfahrene Trainerin Dawn Brancheau und zog sie unter Wasser. Im Autopsie-Bericht werden zahlreiche Verletzungen aufgezählt, darunter Genick-, Rippen- und Kieferbruch sowie zahlreiche Fleischwunden.

Fahrlässig und nicht zu verantworten

BLACKFISH_3_S.jpgIn den Profilakten des Orcas erklärt SeaWorld im Juni 2010 den Todesfall von 1991 als Unfall („accidental drowning“). Zum Tod der eigenen Trainerin heißt es dort lapidar: „Schnappte Pferdeschwanz, zog und hielt Trainer unter Wasser, zog Trainer.“ Dass die Trainerin starb, geht aus der Beschreibung nicht hervor. Gerade diese Tierakten sind für die Trainer eine wichtige Informationsquelle, um ihre Risiken im Umgang mit den Orcas einzuschätzen. Dass SeaWorld die Todesfälle verharmlost, ist fahrlässig und unverantwortlich.

Tilikums Schicksal und seine Aggressivität sind beileibe kein Einzelfall. Dutzende Attacken von Orcas gegen ihre Trainer sind dokumentiert. Etwa im Loro Parque auf Teneriffa (Spanien): Dort kam 2009 ein Trainer ums Leben.

Von wilden Orcas hingegen sind kaum Aggressionen gegen Menschen bekannt. Nach all dem, was wir über die außergewöhnlich hohen sozialen, kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten von Schwertwalen wissen, ist klar: Das Leben in Gefangenschaft löst Frustrationen und Stress bei den Tieren aus. Mit ihrer immensen Größe von bis zu neun Metern und einem Gewicht von circa sechs Tonnen sind sie tickende Zeitbomben. Dennoch leben aktuell mindestens 48 Orcas in Vergnügungsparks, vier von ihnen in Einzelhaft.

Während sich die Vergnügungsparks gerne mit ihren Nachzuchterfolgen brüsten – als Beweis einer angeblich artgerechten Haltung -, werden noch immer wilde Orcas aus dem Meer geholt. Zuletzt im Sommer 2013, als im Ochotskischen Meer in Russland ein erwachsenes Weibchen und zwei Jungtiere eingefangen und auf Lastwagen über 1000 Kilometer über Land in ein Delfinarium in Vladivostok transportiert wurden. Gerüchten zufolge geschah das Gleiche im Oktober 2013 mit vier weiteren Orcas vor der Insel Sachalin. Sie dürften vor allem in asiatische Delfinarien gelangt sein.

Aus dem Meer entführt

Und selbst Del Fotolia_19231891_S.jpgfinarien in der EU ergreifen die Chance auf einen Wildfang, wenn sie sich ergibt: 2010 wurde in der Nordsee ein junges abgemagertes Orca-Weibchen entdeckt und zwischenzeitlich im Delfinarium Harderwijk in Holland untergebracht. Doch statt „Morgan“ aufzupäppeln und schnellstmöglich wieder auszusetzen, kam sie nach einem Rechtsstreit in den Loro Parque nach Spanien, der von dem Deutschen Wolfgang Kießling betrieben wird. Im Loro Parque hat die Orca-Forscherin Ingrid Visser häufige, teils schwere Aggressionen der anderen Schwertwale gegen den Neuzugang dokumentiert, darunter Bisswunden und Kratzer. Außerdem fand sie schwere Verhaltensanomalien bei Morgan.

Tierschutzverbände wie Pro Wildlife wollen erreichen, dass Orcas und andere Delfine nicht mehr in Gefangenschaft gehalten werden dürfen. Wer etwas dagegen tun will, kann sich unserem Appell an die Betreiber von Orca-Haltungen anschließen.

 

Sandra Altherr ist promovierte Biologin und Meeresexpertin bei der Tier- und Artenschutzorganisation Pro Wildlife.

Fotos: NFP marketing & distribution GmbH / Dogwoof; Fotolia/Onkelchen

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