Heute verharren auf diesem „Rand der Welt“ noch knapp 250 Menschen. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, fegen sie tagein, tagaus die Sandhäufchen aus ihren einfachen Holzhäusern. Oder sie räumen mit einem Bulldozer die Düne beiseite, die sich erneut gegen die Außenwand ihrer Stube presst.
Der Alltag der Sandmenschen
Mit distanziertem Blick erzählen die Bilder der beiden Fotografen vom Alltag der Sandmenschen. Da sieht man einen Mann, der sich sichtlich abmüht, sein Kind in einem Wägelchen vor sich herzuschieben. Frauen backen in einem Schuppen Kastenbrote, denn die alte Bäckerei ist längst unter Sand begraben. Zwei Kinder sitzen hoch oben auf einem Karakat, einem robustem Dreirad, das mit seinen Ballonreifen über die Dünen rollt wie über asphaltierte Straßen.
Es sind Momentaufnahmen, die gelegentlich den Charme des Maroden tragen. Doch die Stärke der Fotografien liegt in ihrem dokumentarischen Charakter. Sie wirken wie Zeugnisse einer Katastrophe, die bewegende Geschichten hervorbringt. Nur in den monumentalen Aufnahmen vom zurückgelassenen Schrott der Fischerei-Industrie – alte, verrostete Schiffskähne, Tanks und Fässer, die verschüttet am Strand lagern, blitzt das ökologische Desaster von Schoina sichtbar auf.
Man kann es auch in den informativen und stimmungsvoll geschriebenen Begleittexten nachlesen: Der Sand kommt aus dem Meer. Schon in den 50er Jahren war es gnadenlos überfischt. Schleppnetze rissen die Pflanzendecke am Meeresboden auf. Auf dem Festland führten die Nutztiere der Kolchose die Zerstörung des feinen Moos- und Grasteppichs fort: Nun findet der Treibsand keinen Halt mehr. Der Wettlauf gegen die Sanduhr
ist verloren.
Tania Greiner
Fotos: Dmitri Leltschuk; PR
Dominique de Rivaz, Dmitri Leltschuk:
Die Sandmenschen von Schoina
Till Schaap Edition
224 Seiten, 29,- €