Vor rund 15.000 Jahren wurden Wölfe zum ersten Mal domestiziert: Durch engen Kontakt mit dem Menschen, gezielte Zucht und die Gewöhnung an den Umgang mit unseren Vorfahren entstanden allmählich die Hunde. Ihre wilden Vorfahren, die Wölfe, überlebten jedoch bis heute und sind inzwischen auch wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Immerhin 46 Wolfsrudel leben inzwischen wieder bei uns – nicht unbedingt zur Freude aller.
Doch wie wild sind die heutigen Wölfe noch – beispielsweise in Bezug auf ihr Nahrungsspektrum und ihr Verhalten? Genau dies haben nun Thomas Newsome von der University of Sydney und seine Kollegen in einer weltweiten Studie untersucht. Sie wollten wissen, wie sehr beispielsweise Nutztiere und anderes vom Menschen „zur Verfügung gestellte“ Futter den Speiseplan von Wölfen in Europa, Nordamerika oder Vorderasien prägen.
Immer mehr Nutztiere auf dem Speiseplan
Das Ergebnis: Das Verhalten und Nahrungsspektrum der wildlebenden Wölfe hat sich tatsächlich bereits verändert. „Sie haben verkleinerte Territorien, größere Rudelgrößen und veränderte Nahrungsvorlieben“, berichten die Forscher. „Dies reicht mancherorts so weit, dass sie eine ähnliche Nahrungsnische einnehmen wie die domestizierten Hunde.“
Nutztiere und andere mit dem Menschen verknüpfte Nahrung machen im Mittel schon rund 32 Prozent des Speiseplans der Wölfe weltweit aus, wie Newsome und seine Kollegen feststellten. In Griechenland fressen die Wölfe vorwiegend Schweine, Ziegen und Schafe, in Spanien stellen wilde Ponys und andere Nutztiere auf ihrem Speiseplan und iranische Wölfe fressen inzwischen sogar fast nur noch Hühner, Ziegen und Abfälle.
Zunehmende Konflikte vorprogrammiert?
Setzt sich dieser Trend fort, dann könnte sich nach Ansicht der Forscher der Wolf grundlegend wandeln – wie seine Vorfahren vor 15.000 Jahren. Denn auch damals begann die Domestikation mit einer Gewöhnung des Wolfs an den Menschen und seine Nutztiere als Nahrungsquelle. „Wenn die heutigen Wölfe ihre Vorliebe für anthropogenes Futter weiter steigern, dann können wir einen Wandel ihrer Nahrungsnische erwarten – und mit der Zeit vielleicht auch einen genetischen Wandel, der die Bildung einer neuen Art einleitet“, meint Newsome.
Bevor es jedoch dazu kommt, drohen wachsende Konflikte von Mensch und Wolf: Wenn der Wolf immer häufiger Nutztiere statt Wildtiere tötet und damit auch die Nähe zu menschlichen Siedlungen und Höfen sucht, dann bringt er sich in Gefahr. Denn schon jetzt sorgen Verluste durch Wolfsrisse bei Bauern in Europa für zunehmenden Unmut. Sollte dies weiter zunehmen, könnte den gerade erst wieder etablierten Wölfen bei uns und anderswo der Abschuss oder die Vertreibung drohen. Nach Ansicht von Newsome und seinen Kollegen ist es daher umso wichtiger, den heutigen Wölfen genügend Platz und natürliche Beute zu lassen, um solche Konflikte zu vermeiden. In jedem Fall sei mehr Forschung zu dem sich verändernden Verhalten der Wölfe nötig, betonen sie.
Quelle: American Institute of Biological Sciences