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Zoo-Haltung entspricht noch nicht dem Tierschutzgesetz

Gutachten bleibt hinter Zielen zurück

Zoo-Haltung entspricht noch nicht dem Tierschutzgesetz
Puma im Zoo Dresden Pro Wildlife
Puma im Zoo Dresden Pro Wildlife
Das Bundeslandwirtschaftsministerium will die Haltung von Zootieren mit dem Tierschutzgesetz in Einklang bringen. Dafür haben Experten jahrelang über einem Gutachten gebrütet. Heute wurde es vorgestellt. Die Tierschutzverbände sind ernüchtert. Ein Bericht von Pro Wildlife

Wirtschaftliche Interessen vor artgerechter Haltung

Überhaupt haben die Sachverständigen der Tierschutzseite – neben James Brückner (Deutscher Tierschutzbund e.V.), Torsten Schmidt (Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V.) und Laura Zimprich (animal public e.V.) – das Gutachten nur mit Verweis auf ein entsprechend ausführliches Differenzprotokoll unterzeichnet.

„Das neue Gutachten bringt sicherlich einige Verbesserungen. Dies kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass der Tierschutz bei vielen Tierarten den wirtschaftlichen Interessen der Zoovertreter geopfert wurde“, fasst Laura Zimprich das Ergebnis zusammen. Torsten Schmidt ergänzt: „Mit den zugrunde gelegten neuen Haltungsanforderungen ist für bestimmte Tierarten keine verhaltensgerechte Unterbringung möglich.“

Ernüchterndes Ergebnis

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Exemplarisch lässt sich die Nichtbeachtung wissenschaftlicher Standards an Delfinen verdeutlichen. Einerseits wurden wichtige Statistiken zur Delfinzucht in Europa von den Zooverbänden unter Verschluss gehalten. Andererseits stellten sich die selektiv zur Verfügung gestellten Daten der Zoos als fehlerhaft und irreführend heraus.

Der von der Tierschutzseite hinzugezogene Meeresbiologe und Verhaltensforscher Karsten Brensing erklärt ernüchtert: „Das vorgelegte Gutachten zementiert eine Haltung, in der Delfine mittels Psychopharmaka und Hormonen an völlig unzureichende Haltungsbedingungen angepasst werden. Das Delfinkapitel bringt somit keine Verbesserungen für die Tiere in deutschen Zoos und ist auch fachlich inakzeptabel.“

Im Einzelnen kritisiert Pro Wildlife Folgendes an den neuen Haltungsvorgaben:

  • Das Gutachten ignoriert vielfach wissenschaftliche Erkenntnisse. Es gibt zoo-interne Haltungsempfehlungen (zum Beispiel EAZA Husbandry Guidelines), die über die Minimalvorgaben des Gutachtens hinausgehen. Die Zooverbände haben sie nicht zur Verfügung gestellt. Wirtschaftliche Interessen hatten hier eindeutig Vorrang vor dem Tierschutz.
  • Die Vorgaben sollen häufig den Status quo bestehender Anlagen aufrecht erhalten. Trotz aller Kritik wird sich beispielsweise an der alles andere als verhaltensgerechten Haltung von Delfinen und Elefanten in deutschen Zoos nichts ändern.
  • Hinter den Forderungen der Tierschutzverbände und den Vorschriften anderer europäischer Länder bleibt das Gutachten weit zurück.
  • Die Tierschutzverbände hatten für etliche Tierarten ein Vielfaches der Gehegegrößen gefordert, so zum Beispiel fast die doppelte Außengehegegröße für Elefanten und Orang Utans sowie drei- bis zehnfach größere Außengehege für viele Affen-, Katzen- und Fuchsarten sowie Wölfe und Antilopen.

Orang Utan Pro Wildlife

  • Verhaltensstörungen, wie sich ständig wiederholende Bewegungsmuster (regelmäßig zu beobachten bei Eisbären, Elefanten und Menschenaffen) sind Ausdruck dafür, dass Tiere leiden. In den häufig viel zu kleinen und unstrukturierten Gehegen können sie ihre natürlichen Verhaltensweisen nicht ausleben. Dies steht nicht im Einklang mit dem Tierschutzgesetz – und daran werden auch die neuen Vorgaben kaum etwas ändern.
  • Eine Folge unzureichender Haltungsbedingungen ist, dass manchen Tieren (zum Beispiel Delfinen und Menschenaffen) regelmäßig Medikamente und  Psychopharmaka wie Valium verabreicht werden. Eine gut belegte Tatsache, die das neue Gutachten völlig ignoriert.
  • Tierquälerische Methoden, wie die stundenweise Ankettung und der Einsatz von Gewalt in der Elefantenhaltung, Einzelhaltung sozialer Arten oder die Trennung von Mutter und Kind bei hochsozialen Tieren sind auch in Zukunft nicht ausgeschlossen. Letzteres führt dazu, dass häufig intakte Sozialstrukturen fehlen.
  • Auch wollen die neuen Vorgaben nicht die unverantwortliche Zucht- und Tötungspolitik der Zoos beenden. Hierbei geht es in aller Regel nicht um die Erhaltung und Wiederauswilderung bedrohter Arten geht, sondern oft darum, mit niedlichem Nachwuchs Besucher anzulocken. Immer wieder töten Zoos gesunde, angeblich „überzählige“ Tiere, schieben sie an drittklassige Einrichtungen ab oder verkaufen sie an Tierhändler, weil angeblich kein Platz vorhanden ist oder die Tiere nicht in den Zuchtplan passen. Das Töten ohne „vernünftigen Grund“ verstößt laut geltender Rechtssprechung gegen das Tierschutzgesetz.
  • Zoos dürfen weiterhin Tiere aus freier Natur fangen, einführen und halten – trotz erheblicher Probleme aus Sicht des Tier- und Naturschutzes. Noch immer halten Zoos Wildfänge verschiedenster Tiergruppen, von Fischen über Reptilien und Vögel bis hin zu Delfinen und Elefanten.
  • Die Vorgaben sind in vielen Punkten nicht nur zu schwach, sondern lediglich Empfehlungen, die nicht rechtsverbindlich sind. Die Tierschutzverbände fordern daher, zukünftig rechtsverbindliche Vorgaben auf wissenschaftlicher Grundlage zu erarbeiten und diese regelmäßig zu überarbeiten.

Daniela Freyer, Pro Wildlife

Zum Gutachten des Bundeslandwirtschaftsministeriums und den Mindestanfordungen der Tierschutzverbände

Fotos: Pro Wildlife

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